Lexikon der Fernerkundung

Datenempfang

Erdbeobachtungssatelliten können den von ihren Sensoren aufgezeichneten Datenstrom nur in sehr begrenztem Umfang an Bord speichern. Sie sind vielmehr auf Bodenstationen angewiesen, an die sie die Daten direkt übertragen können. Die erzeugten Datenraten und -mengen liegen aber erheblich jenseits der im Übertragungsband (X-Band, 8,025 … 8,4 GHz) zur Verfügung stehenden Bandbreite. Die Sensordaten werden deshalb im Satelliten zwischengespeichert, komprimiert und mit reduzierter Datenrate zur Erde gesendet. Das Datenvolumen und die begrenzt zur Verfügung stehenden Kontaktzeiten sowie eine gewünschte geringe Latenzzeit zwischen Datenaufnahme und Datenübertragung zu den Bodenstationen stellen einen Engpass für die wirkungsvolle Nutzung von Erdbeobachtungsdaten dar.

Der Aufbau von Bodenstationsnetzen lag daher von Anbeginn im Interesse von Erdbeobachtungsmissionen. Heute kann man zwischen zwei grundsätzlichen Einsatzprofilen für Bodenstationen unterscheiden. Die echtzeit-orientierten Bodenstationen, auch Direct-Access-Stationen genannt, wie sie z.B. in den regionalen Betriebszentren für den IKONOS-Satelliten konzipiert sind, haben die Aufgabe, den unmittelbaren Datenzugriff in den Regionen ihrer Aufstellung sichzustellen und eine zeitoptimierte Datenverarbeitung und Anwendung zu ermöglichen. Im Gegensatz dazu haben polare Daten-Dumping-Stationen durch ihre bevorzugte Lage an beiden Polen und die sich daraus ergebenden häufigen Überflüge die Aufgabe, den Transfer global aufgenommener und gespeicherter Daten zu Datenzentren mittels terrestrischer oder satellitengestützter Kommunikationsmethoden sicherzustellen. Die Koordination von international verteilten Stationsnetzen ist deshalb für die Durchführung von Erdbeobachtungsmissionen unabdingbar.

Beispielsweise betreibt das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) als nationales Empfangszentrum ein Stationsnetzwerk zur Unterstützung von nationalen und europäischen Missionen, welches durch zusätzliche Partnerstaaten den jeweiligen Missionsanforderungen angepasst wird. Das für den Datenempfang erforderliche Bodensegment umfasst neben den Antennenanlagen in Neustrelitz und Oberpfaffenhofen ein internationales Netzwerk von Empfangsstationen. Zum einen werden der Datenempfang und die Archivierung für die wissenschaftliche Nutzung durchgeführt, zum anderen im Auftrag kommerzieller Betreiber und der europäischen Weltraumorganisation ESA.

Die zentralen Antennensysteme des DFD für hochratigen Datenempfang sind in Neustrelitz installiert. Sie zeichnen u.a. die Datenströme des deutschen Radarsatelliten TerraSAR-X, früher auch der europäischen Radarsatelliten ERS und ENVISAT sowie der indischen IRS-1C/1D und -P3 Missionen auf. Daneben werden die Daten der Missionen CHAMP, BIRD und GRACE empfangen und eine Referenz-Station zur Navigation und Positionierung der Systeme GPS und GLONASS betrieben.
In Oberpfaffenhofen werden u.a. Daten der meteorologischen Satelliten der NOAA- und der Meteosat-Serien sowie des Instruments MODIS der amerikanischen Satelliten TERRA und AQUA aufgezeichnet. Der abgedeckte Empfangsbereich beider Standorte erstreckt sich über ganz Europa, den Nahen Osten und das nördliche Afrika. Im Auftrag kommerzieller Partner werden zudem Daten der hochauflösenden optischen Satelliten IKONOS und WorldView-2 empfangen.

Zudem ist ein weltweites Netzwerk von festen und mobilen Bodenstationen eingerichtet worden. Dort werden eine Vielzahl optischer und Radar-Satelliten unterschiedlicher Auflösungen sowohl systematisch als auch auf Bestellung empfangen. Derzeit werden an den jeweils angegebenen Standorten die Daten folgender Satelliten aufgezeichnet:

Satelliten-Bodenstationen des DFD
  • Oberpfaffenhofen
    • MSG, NOAA, TERRA, AQUA
    • IKONOS, WorldView-2
  • O’Higgins (Antarktis)
    • ERS-2, TerraSAR-X
  • Recife (Brasilien)
    • NOAA
  • Chetumal (Mexiko)
    • ERS-2, LS-5, TERRA, TerraSAR-X, Tandem-X
  • Ny-Alesund (Spitzbergen)
    • Champ, Grace
  • Inuvik (Kanada)
    • TerraSAR-X, Tandem-X

Ein neues und bereits in einigen Fällen erprobtes Konzept sieht in Zukunft die Übertragung der Daten vom Erdbeobachtungssatelliten zu einem geostationären Kommunikationssatelliten über eine schnelle Mikrowellenverbindung (ENVISAT) oder über eine optische Verbindungsstrecke vor. Dadurch werden sowohl die Kontaktzeiten zwischen dem Erdbeobachtungssensor und dem Datenzentrum erhöht und damit größere Datenmengen mit kurzer Latenzeit zugreifbar gemacht als auch die Übertragungsstrecke gegen Störeinflüsse gesichert.

Beispiel eines solchen Konzepts ist das europäische Datenrelaissatellitensystem (EDRS). Im Rahmen von EDRS wird ein Netz aus geostationären Laserkommunikationsnutzlasten für die stete Übermittlung von Satellitendaten in der erdnahen Umlaufbahn und eine beispiellos schnelle und sichere Weitergabe der Erdbeobachtungsdaten - z.B. der Sentinel-Satelliten als ersten Nutzern - über die Weltraum-Datenautobahn „SpaceDataHighway“ ermöglichen. Es wird eine zeitnahe Verfügbarkeit von Daten sicherstellen, insbesondere für zeitkritische Anwendung etwa im Bereich der Umweltbeobachtung, Katastrophen- und Sicherheits-Missionen.

Weitere Informationen:


Pfeil nach linksDatenbibliothekLupeIndexDatenfusionPfeil nach rechts