Lexikon der Fernerkundung

ENVISAT

Engl. Akronym für Environmental Satellite; größter je in Europa gebauter Erdbeobachtungssatellit (Gesamtmasse >8.000 kg beim Start), inzwischen nicht mehr aktiv. Eine Ariane 5 als Trägerrakete brachte ENVISAT vom Weltraumbahnhof Kourou (Französisch Guyana) am 1.3.2002 auf seine Umlaufbahn in 782 km Höhe. Der Satellit umkreiste die Erde mit einer Inklination von 98,52° auf einer sonnensynchronen, polaren Umlaufbahn in 100,5 Minuten und beobachtete regelmäßig Erdoberfläche und Atmosphäre unabhängig von Wetter und Tag-/Nacht-Wechsel. Alle 35 Tage überflog er dieselben Bereiche. Die Lebensdauer des Satelliten war auf fünf Jahre ausgelegt, später wurde die ENVISAT-Mission bis zum Jahr 2013 verlängert. Allerdings brach am 8. April 2012, wenige Wochen nach dem zehnten Jahrestag von Envisat in der Umlaufbahn der Kontakt zu dem Satelliten plötzlich ab. Nach intensiven Bemühungen um eine Wiederherstellung der Verbindung und der Untersuchung möglicher Ausfallszenarien wurde die Mission am 9. Mai 2012 von der ESA für beendet erklärt.

ENVISAT im Orbit Envisat im Orbit Quelle: ESA

Hauptaufgabe von ENVISAT war die Beobachtung der globalen Umweltveränderungen. Das komplizierte Zusammenspiel der vielfältigen natürlichen und von Menschen verursachten Einflüsse auf unsere Umwelt, erfordert die gleichzeitige, abgestimmte Beobachtung der Atmosphäre, der Ozeane, der Polarregionen sowie der Veränderungen an Land. Im einzelnen lieferte ENVISAT neben vielen wissenschaftlichen und anwendungs-orientierten Beobachtungen, Messdaten zur Erforschung des Ozonlochs, der vermuteten globalen Erwärmung der Erde, zur Regenwaldabholzung, zur Versteppung und Verwüstung riesiger Landmassen, zum Bio-Inventar und zur Verschmutzung der Meere sowie zur Entwicklung der polaren Eisregionen. Auch Datenströme zur weiteren Erforschung von ENSO wurden geliefert.

Im Laufe seiner aktiven Zeit sammelte ENVISAT Daten in der Größenordnung von einem Petabit (1 + fünfzehn Nullen), was dem Inhalt der Festplatten von einer Million PCs entspricht. Einbezogen in die internationalen Programme für Klimaforschung GOOS und GODAE (Global Ocean Data Assimilation Experiment), öffnete ENVISAT die Ära der operationellen Ozeanographie.

Langfristig kann sich die Umweltbeobachtung zu einem Wirtschaftszweig gleicher Größe wie die Satellitennavigation entwickeln. Darin liegt die kommerzielle Bedeutung von ENVISAT.

Die 10 Instrumente auf ENVISAT
MIPAS Michelson Interferometer for Passive Atmospheric Sounding Messung von Spurengasen in der Atmosphäre
GOMOS Global Ozone Monitoring by Occultation of Stars u.a. Ozonmessung
MERIS Medium Resolution Imaging Spectrometer Beobachtung von Land, Wasser und Atmosphäre
AATSR Advanced Along Track Scanning Radiometer Messung der Meeresoberflächentemperatur und der Landoberfläche
RA-2 Radaraltimeter Höhenmessung
MWR Microwave Radiometer Messung des atmosphärischen Wasserdampfgehaltes und des Flüssigwassergehalts von Wolken
DORIS Doppler Orbitography and Radio-Positioning Integrated by Satellite aktives Bahnbestimmungssystem
ASAR Advanced Synthetic Aperture Radar Beobachtung der Land-, Meeres- und Eisoberflächen
SCIAMACHY Scanning Imaging Absorption Spectrometer Chartography Beobachtung der Konzentration einer großen Anzahl von Gasen und Spurenstoffen
LRR Laser Retro-Reflektor (kein ENVISAT-Instrument i.e.S.) präzise optische Bahnvermessung mittels Laser vom Boden aus

An der Entwicklung und am Bau von ENVISAT waren im Auftrag der ESA über 100 Firmen beteiligt, von deutscher Seite unter anderem maßgeblich die Astrium GmbH in Friedrichshafen/Immenstaad. Sie war zusammen mit Astrium Ltd. Hauptauftragnehmer für den gesamten Satelliten. Die wissenschaftliche Leitung der beiden Instrumente SCIAMACHY und MIPAS lag bei der Universität Bremen und dem Forschungszentrum Karlsruhe.
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Während der gesamten Missionsdauer erfolgte eine intensive Überprüfung und Absicherung der Datenqualität durch Referenzmessungen, die so genannte Validation. Hieran, wie auch an der wissenschaftlichen Nutzung der Daten waren zahlreiche deutsche Forschungsinstitute beteiligt. Zur Validation steuerte das DLR sein eigenes Forschungsflugzeug bei.

Einen umfassenden nationalen Beitrag lieferte Deutschland auch für das ENVISAT-Bodensegment. Dies geschah mit der Einrichtung des Deutschen „Processing and Archiving Centers“ (D-PAC) beim Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des DLR in Oberpfaffenhofen. Dort wurden Daten der Instrumente SCIAMACHY, MIPAS, GOMOS und ASAR zu so genannten Daten-Produkten verarbeitet und anschließend an die Nutzer verteilt. Für eine umfassende Nutzung der ENVISAT-Daten in Deutschland und anderswo arbeiten zahlreiche Forschungsinstitute in Ergänzung zu den Standardprodukten der ESA an der wissenschaftlichen Auswertung und der Schaffung neuer, zum Teil auf spezielle Bedürfnisse zugeschnittene Datenprodukte.

Beispielbild 'Galapagos'

Dieses Envisat-Bild stellt die Galapagos Inseln dar, ein ca. 1.000 km westlich vor Ecuador im Pazifik gelegener Archipel. Zu sehen ist Isabela, seine größte Insel. Die fünf Vulkane, die man auf der Insel erkennen kann sind von N nach S: Wolf Volcano, Darwin Volcano, Alcedo Volcano, Sierra Negra Volcano und Cerro Azul Volcano. Die größere Insel rechts von Isabela ist San Salvador.

Das Bild wurde durch die Kombination von drei ASAR-Aufnahmen der gleichen Region generiert (23.3 2006, 14.8.2008, 1.1.2009). Die Farben im Bild ergeben sich aus Veränderungen der Oberflächen, die sich zwischen den Aufnahmezeitpunkten vollzogen haben.

Neben der Kartierung von Änderungen der Landoberfläche können Radardaten auch dafür verwendet werden Parameter der Meeresoberfläche zu bestimmen, wie z.B. die Windgeschwindigkeit, Windrichtung und Wellenhöhe. Im Bild sind unterschiedliche Wellentypen und Windgeschwindigkeiten als Rippeln auf der Wasserfläche erkennbar.

Galapagos Inseln Quelle: ESA

Angesichts der Umlaufbahn von Envisat und seines Flächen-zu-Masse-Verhältnisses wird es ungefähr 150 Jahre dauern, bis der Satellit allmählich durch die Erdatmosphäre zum Absturz gebracht wird. Envisat befindet sich derzeit in einem Umfeld, in dem innerhalb von einem Jahr ca. 2 Begegnungen mit katalogisierten Objekten innerhalb von 200 m erwartet werden. Eine Kollision zwischen einem Satelliten mit der Größe von Envisat und einem Objekt mit mehr als 10 kg Gewicht könnte eine sehr große Trümmerwolke erzeugen, die eine selbsttragende Kettenreaktion von Kollisionen und Fragmentierung auslösen könnte, ein Prozess, der als Kessler-Syndrom bekannt ist.

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