Lexikon der Fernerkundung

Trägerrakete

Engl. launcher, launch vehicle; in der Raumfahrt eine Rakete, die dem Transport von Menschen oder Nutzlasten in den Weltraum und speziell in Umlaufbahnen dient. Als Abgrenzung der Erdatmosphäre gegenüber dem Weltraum ist im Kontext der Luft- und Raumfahrt die Definition der Fédération Aéronautique Internationale international am gebräuchlichsten, nach der der Weltraum in einer Höhe von 100 Kilometern beginnt (Kármán-Linie).

Ein Trägerraketensystem (launch system) umfasst die Trägerrakete selbst, die Startrampe und weitere Infrastrukturelemente. Die Starteinrichtungen können sich auf Land in Weltraumbahnhöfen befinden, auf dem Meer auf festen oder mobilen Plattformen und in der Luft auf Flugzeugen oder Ballonen.

Beispiel: Startbereite Pegasus-Rakete unter dem Rumpf des Stargazer L-1011

Am 5. April 1990 läutete die Fa. Orbital ein neues Zeitalter in der kommerziellen Raumfahrt ein, als deren ca. 17 m lange Pegasus-Rakete zum ersten Mal von der Unterseite eines B-52 Trägerflugzeuges der NASA gestartet wurde. In den Jahren danach wurde Pegasus zum Standard für erschwingliche und verlässliche kleine Startflugkörper. Sie hat 42 Missionen - davon 37 erfolgreich - absolviert und über 80 Satelliten ins All gebracht.

Die dreistufige Pegasus wird von Firmen, Regierung und internationalen Kunden genutzt um kleine Satelliten mit einem Gewicht bis zu 443 kg in eine niedrige Erdumlaufbahn zu bringen. Pegasus wird zunächst mit einer 'Stargazer L-1011' (modifizierte Lockheed L-1011 TriStar) in eine Höhe von 12.000 m über dem offenen Ozean gebracht, wo sie vom Flugzeug gelöst wird, dann für 5 Sekunden frei fällt bis sie eine horzontale Lage einnimmt und dann den Raktenmotor ihrer ersten Stufe zündet. Pegasus bringt dann ihre Nutzlast in wenig mehr als 10 Minuten auf ihren Orbit.

Startbereite Pegasus-Rakete
unter dem Rumpf des Stargazer L-1011 pegasus-lres Quelle: Orbital

Trägerraketen

Um die Erdumlaufbahn zu erreichen muss die Trägerrakete ihre Nutzlast auf eine Mindestgeschwindigkeit von 28.000 km/h beschleunigen, was etwa der 25-fachen Schallgeschwindigkeit eintspricht. Um die Erdanziehungskraft für eine Reise zum Mond oder zum Mars zu überwinden, muss die Geschwindigkeit ungefähr 40.000 km/h betragen.

Die Nutzlast ist in der Regel ein künstlicher Satellit, der in eine Erdumlaufbahn gebracht wird oder es handelt sich um Bauteile für eine Raumstation. Aber einige Raumflüge sind suborbital, d.h. sie gelangen nicht in eine Umlaufbahn, bei anderen sind die Raumfahrzeuge in der Lage, die Erdumlaufbahn ganz zu verlassen. Gewöhnlich handelt es sich dabei um wissenschaftliche Raumsonden zur Erkundung des Weltalls. Trägerraketen, die mit ihrer Nutzlast eine suborbitale Bahn beschreiben, sind Höhenforschungsraketen, meist für meteorologische oder aerologische Messungen.

Die Nutzlast befindet sich fast immer unter einer Nutzlastverkleidung, die diese vor und während des Starts vor äußeren Einflüssen schützt. Mittels Trägerraketen wie der amerikanischen Atlas, Titan, Saturn, sowie der sowjetischen Wostok, Woschod, Sojus und der chinesischen Langer Marsch 2E wurden und werden auch Menschen in den Weltraum befördert. Auch der ausschließlich bemannt startende amerikanische Space Shuttle galt als eine Trägerrakete, da er ebenfalls dem Transport von Menschen und Lasten in den Weltraum diente.

Die bekannteste europäische Trägerrakete ist die Ariane, deren aktuelle Ausbaustufe die Ariane 5 ist. Die Arianeraketen gehören zu den wenigen Raketentypen die eine Doppelstartvorrichtung besitzen und für den Start von zwei großen Nutzlasten an Bord einer Rakete ausgelegt sind.

Viele Jahre lang war die Ariane die einzige europäische Trägerrakete und diente dazu, den europäischen Regierungen den Zugang zum Weltraum zu garantieren. Dieser Markt allein konnte die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit des Dienstes nicht aufrechterhalten, so dass sich die Ariane weiterentwickelt hat, um den Bedarf des weltweiten kommerziellen Marktes zu decken.

Europe's Launchers

Im europäischen Weltraumhafen in Französisch-Guayana wurde ein neuer Startplatz für Sojus gebaut, um das Leistungsangebot der Ariane zu ergänzen. Parallel dazu wurde die Vega entwickelt, um ein breites Spektrum an Missionen und kleineren Nutzlasten zu bewältigen, sie wird hauptsächlich von institutionellen Nutzern in Anspruch genommen.

Europa profitiert von dieser Trägerraketen-Familie durch ihre Fähigkeit und Flexibilität, alle Bedürfnisse der europäischen Regierung und der meisten kommerziellen Märkte abzudecken, wodurch die sozioökonomischen Vorteile des Zugangs zum Weltraum in Europa erhöht werden.

Die Ariane 6 wird die Nachfolge der Ariane 5 antreten und Europa in die Lage versetzen, seine Führungsrolle auf dem sich schnell verändernden Markt für kommerzielle Startdienste zu behaupten und gleichzeitig den Bedürfnissen der europäischen institutionellen Missionen gerecht zu werden. Ihr Debüt ist für 2020 geplant. Parallel dazu wird eine leistungsstärkere Version der Vega-Trägerrakete entwickelt, die Vega C.

Um die Gemeinsamkeiten der Technologien zu maximieren, wird ein von der Vega abgeleiteter Feststoffraketenmotor P120C entwickelt, der sowohl bei der Ariane 6 als auch bei der Vega C eingesetzt werden soll.

Quelle: ESA (Grafik) / ESA (Text)

Zu den stärksten je gebauten Trägerraketen gehören die US-amerikanische Saturn V sowie die sowjetischen N1 und Energija. Keine von diesen Raketen wird derzeit hergestellt. Die stärkste derzeit im Einsatz stehende Trägerrakete ist die von Boeing entwickelte und gebaute Delta IV Heavy, die am 21. Dezember 2004 von Kennedy Space Center aus ihren Jungfernflug absolvierte. Die stärkste im Einsatz stehende russische Trägerrakete ist die Proton-M. Die stärkste im Einsatz befindliche europäische Trägerrakete ist die Ariane 5 ECA.

Europas Antwort auf den wachsenden Wettbewerb im Trägerraketenmarkt

Der globale Markt für Trägerraketen ist seit einigen Jahren einem heftigen Wandel unterworfen. Private Raumfahrtunternehmen – allen voran SpaceX – bieten Raketenstarts zu sehr günstigen, stetig sinkenden Preisen an und wetteifern so mit den institutionellen Trägern um Kunden. Zusätzlich drängen neue private Startdienstleister in den Markt, die Kleinträger für Cube- und Nanosatelliten anbieten. Mit diesen Trends ist auch die europäische Weltraumorganisation ESA konfrontiert. Die zukünftigen Träger Ariane 6 und Vega-C müssen in der Entwicklung und Produktion günstiger werden, um in diesem Wettbewerb mitzuhalten. Dafür hat die ESA bei Space19+ in Sevilla die Weichen gestellt. In speziellen Programmen werden innovative Entwicklungen wie 3D-gedruckte Triebwerke sowie Technologien für bessere Strukturen und Oberstufen angeschoben, die die Produktionskosten senken sollen. Die deutsche Industrie ist bestens aufgestellt, um ihren Beitrag zu einer wettbewerbsfähigen Ariane 6 zu leisten. Auch bei den Kleinträgern bringt die Bundesrepublik Europa auf Kurs. Dank einer Initiative der deutschen Delegation können nun Microlauncher-Unternehmen ESA-Mittel aus einem neuen Programm erhalten. So sollen sie in einen vielversprechenden Markt kommen, der momentan noch von den USA und China dominiert wird. Insgesamt hat Deutschland auf der Ministerratskonferenz in Sevilla rund 584 Millionen Euro in die Trägerprogramme investiert und damit auch die Startanlagen am europäischen Weltraumbahnhof in Kourou (Französisch-Guayana) gesichert. So sorgt die Bundesrepublik dafür, dass Europas Tor zum Weltraum weiterhin offenbleibt.


Weichen in Richtung Zukunft gestellt

Kleinträger – die sogenannten Microlauncher – gewinnen in der kommerziellen Raumfahrt immer stärker an Bedeutung. Weltweit werden über 100 kommerzielle Projekte gezählt. Einige wenige dieser Systeme – vor allem amerikanische und chinesische – sind dabei bereits im Einsatz oder stehen kurz vor ihrem Jungfernflug. In Europa hinken die Firmen diesem Trend ein wenig hinterher. Erstflüge sind frühestens ab 2020 oder 2021 geplant. Mit dem neuen CSTS-Programm (Commercial Space Transportation Services and Support to Member States) der ESA soll sich das ändern. Hier werden – zurückgehend auf eine Initiative der deutschen Delegation – zukünftig kommerzielle Raumtransportdienste im Bereich der Kleinträger unterstützt. Die Bundesrepublik hat mit einer Beteiligung von 27,5 Millionen Euro die Führung vor dem Vereinigten Königreich in diesem Programm übernommen und damit den Grundstein gelegt, dass die Microlauncher-Aktivitäten gerade in Deutschland ausgebaut werden. Bislang drängen hier drei Unternehmen in diesen neuen Markt: die Isar Aerospace Technologies GmbH, die HyImpulse Technologies GmbH und die zur OHB-Gruppe gehörende Rocket Factory Augsburg GmbH. Alle haben jeweils privates Kapital bis in den zweistelligen Millionenbereich akquiriert. Zudem hat die britisch-dänische Orbex mit der Orbital Express Launch UG ebenfalls eine Niederlassung in München.

Quelle: DLR / ESA (2020)

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