Lexikon der Fernerkundung

atmosphärisches Fenster

Engl. atmospheric window, franz. fenêtre atmosphérique; Begriff zur Beschreibung eines Abschnittes des elektromagnetischen Spektrums, in dem Strahlung von der Atmosphäre nur schwach absorbiert wird. Innerhalb eines solchen Abschnittes (Frequenzband) sind Fernerkundungssensoren fähig, die elektromganetische Strahlung der Sonne für die optische Auswertung von Fernerkundungsdaten zu nutzen.

Die größten dieser Fenster befinden sich im Bereich des sichtbaren Lichts, in dem nur geringe Absorption stattfindet (z.B. durch Ozon) und im Bereich des reflektierten (auch nahen) Infrarots. Strahlen mit kürzeren Wellenlängen, wie das Ultraviolett und der Bereich der sehr kurzwelligen Röntgenstrahlen, werden von der Atmosphäre absorbiert und sind daher für die Fernerkundung weitgehend ungeeignet.

Daher sind auf die Fenster höchster atmosphärischer Durchlässigkeit die Sensoren derjenigen Satelliten ausgerichtet, deren Hauptaufgabe eine Aufzeichnung von Prozessen auf der Erdoberfläche ist. Durch die jeweiligen Aufnahmesysteme (Sensoren) wird die eingehende Strahlung gemessen, wobei verschiedene Sensoren für spezielle Frequenzbereiche elektromagnetischer Strahlung eingesetzt werden. Diese Frequenzbereiche, d.h. Intervalle aus dem elektromagnetischen Spektrum bestimmter Breite, werden in der Fernerkundung als Kanäle bezeichnet. In der Regel sind die Kanäle auf die atmosphärischen Fenster ausgerichtet. Allerdings tragen verschiedene Systeme auch solche Instrumente, die innerhalb der Spektralbereiche bestimmter Absorptionsbanden operieren und dadurch Vorgänge in der Atmosphäre sichtbar und erforschbar machen. So zeichnet z.B. der Wettersatellit Meteosat den Wasserdampfgehalt der Atmosphäre auf (Kanal 6 des SEVIRI-Sensors).

Ist die Sonne die wichtigste Quelle einkommender elektromagnetischer Strahlung, so sendet andererseits auch die Erde elektromagnetische Strahlung aus. Diese ist allerdings viel geringer und anders zusammengesetzt als die der Sonne. Der Bereich maximaler Strahlungsenergie der Erde liegt bei 9,7 µm, also im thermischen Infrarot.

Wellenlängenbereiche (Spektralbereiche) innerhalb derer die Atmosphäre für solare Ein- bzw. terrestrische Ausstrahlung durchlässig ist, treten dort auf, wo die Strahlungsabsorption durch Wasserdampf, Kohlendioxid und Ozon besonders gering ist. Von besonderer Bedeutung sind die beiden Infrarotfenster in den Wellenlängenbereichen 3,4-4,1 µm und 8-13 µm. Häufig werden nur diese beiden Spektralbereiche mit dem Begriff atmosphärische Fenster bezeichnet.

In bestimmten Bereichen des nahen Infrarotspektrums ist die Atmosphäre fast zu 100 % durchlässig, so dass die FE hier mit minimaler atmosphärischer Verzerrung arbeiten kann. Das große Fenster im Infraroten wird durch die Ozonbande bei 9,6 mm in zwei Bereiche aufgeteilt (elektromagnetisches Spektrum). Dieses Fenster hat wesentliche Bedeutung für den Treibhauseffekt, denn die Zunahme der Konzentration der klimarelevanten Spurengase verursacht eine spektrale Verengung des Fensters. Damit wird die Abstrahlung des Erdbodens im IR-Bereich behindert.

Der Wellenlängenbereich von 10,5-12,5 µm wird als Wasserdampffenster bezeichnet. Besonders durch dieses Fenster kann die langwellige Ausstrahlung der Erde von Satelliten aus aufgenommen und mithilfe des Planck'schen Strahlungsgesetzes in Oberflächentemperaturen der Erdoberfläche umgerechnet werden.

Die folgende Grafik veranschaulicht die ein- und ausgehende Strahlung:

Nicht alle Wellenlängen der elektromagnetischen Strahlung der Sonne erreichen die Erde, und nicht alle von der Erde ausgestrahlten Wellenlängen gelangen in den Weltraum. Die Atmosphäre absorbiert einen Teil dieser Energie, während sie andere Wellenlängen durchlässt. Die Bereiche, an denen Energie durchgelassen wird, nennt man "atmosphärische Fenster". In der Fernerkundung nutzt man diese "Fenster", um in die Atmosphäre zu blicken und daraus viele Informationen über das Wetter zu gewinnen.

Der größte Teil der Sonnenenergie stammt aus dem sichtbaren Licht und dem nahen Infrarotbereich des elektromagnetischen Spektrums. Die gesamte von der Erde abgestrahlte Energie ist infrarot.

Ein- und ausgehende Strahlung Ein- und ausgehende Strahlung Quelle: NOAA NWS

Längere Wellenlängen im Mikrowellenbereich werden atmosphärisch kaum gestört. Außerdem können die Mikrowellen Wolken, Nebel, Rauch, Dunst und Schnee durchdringen. Allerdings verursachen starke Regenschauer bei kürzeren Wellenlängen deutliche Störungen.

Die Durchlässigkeit der Atmosphäre hat in der Fernerkundung eine doppelte Relevanz: zum einen für die Einstrahlung solarer Strahlung auf die Erdoberfläche und zum anderen (wichtiger) im Hinblick auf die Empfangsmöglichkeiten der von der Erdoberfläche reflektierten oder emittierten Strahlung an einem satellitengestützten Sensor.

Die atmosphärischen Fenster werden zur Bestimmung der globalen Verteilung der Erdoberflächentemperatur von Satelliten aus benutzt. Weitere atmosphärische Fenster gibt es außerhalb des solaren und terrestrischen Spektralbereichs, z.B. im Mikrowellen- und im Radiowellenbereich.

Die diese atmosphärischen Fenster passierende Strahlung unterliegt komplexen Streuungsvorgängen, die sich wiederum wellenlängenspezifisch auswirken. So wird z.B. ein großer Teil der Strahlung des blauen Spektralbereiches bereits in der Atmosphäre an den Luftmolekülen gestreut (sog. Rayleigh-Streuung) und zum Satellitensensor zurückgestrahlt. Dieser Teil überlagert dort als "Luftlicht" (engl. path radiance) das Bodensignal und führt zu Kontrastminderungen. Deshalb wird dieser Bereich oft aus Untersuchungen herausgelassen oder erst gar nicht aufgezeichnet. Beispielsweise verzichtet der ASTER-Sensor auf dem Terra-Satelliten der NASA auf eine Aufnahme dieses Wellenlängenbereiches.

Aufnahmesysteme im optischen Bereich

Mit den optischen Multispektralsatelliten des EU/ESA-Copernicus-Programms und des USGS/NASA-Landsat-Programms stehen für die verschiedenen Anwendungsgebiete leistungsfähige Satellitensysteme zur Verfügung, deren Daten weltweit kostenfrei genutzt werden können. In Kombination mit einer Vielzahl weiterer Satellitensysteme ermöglichen sie eine kontinuierliche Erdbeobachtung in unterschiedlichen Maßstäben innerhalb der atmosphärischen Fenster.

Im Bereich der optischen Fernerkundung verfügen räumlich sehr hoch auflösende Systeme (< 2 m) nur über wenige (< 10) spektral breite Kanäle (z. B. Quickbird, WorldView-2). Räumlich schlechter auflösende Systeme (> 10 m) besitzen hingegen deutlich mehr (> 10 bis rund 250) spektral höher auflösende Kanäle (z. B. Sentinel-2, EnMAP). Abbildung 1 verdeutlicht die Lage der Spektralkanäle wichtiger Aufnahmesysteme. Die zeitliche Auflösung der Systeme kann durch den Einsatz mehrerer baugleicher Satelliten erhöht werden. Beispiele dafür sind die Sentinel-1/2-Systeme mit jeweils zwei Satelliten (A/B), die inzwischen inaktive RapidEye-Konstellation mit fünf Satelliten und im Bereich der CubeSats die PlanetScope-Konstellation mit mehr als zweihundert Kleinsatelliten.


Pfeil nach linksatmosphärischer SounderLupeIndexATMSPfeil nach rechts