Lexikon der Fernerkundung

Rayleigh-Streuung

Engl. Rayleigh scattering franz. diffusion (de) Rayleigh; nach Lord Rayleigh (1842-1919) benannte Streuung von elektromagnetischer Strahlung an kugelförmigen Teilchen, deren Radius sehr klein ist gegenüber der Wellenlänge der gestreuten Strahlen.

In der Atmosphäre bedeutet dies in erster Linie die Streuung von Lichtstrahlen an den Luftmolekülen, deren Abmessungen (10-10 m) deutlich kleiner als die Lichtwellenlänge sind. Beispiele für solche Teilchen sind winzige Staubkörnchen sowie Stickstoff- (NO2) und Sauerstoffmoleküle (O2). Die Rayleigh-Streuung tritt vor allem in oberen Schichten der Atmosphäre auf. Ohne Schwebeteilchen und Streuung würde der Himmel schwarz erscheinen.

Rayleigh-Streuung

Die Art der Streuung wird durch die Größe der Partikel im Verhältnis zur Wellenlänge der EM-Wellen bestimmt. Es gibt zwei Arten von Streuung: molekulare Streuung (auch Rayleigh-S. genannt) und Aerosolstreuung.

Molekulare Streuung tritt auf, wenn die Teilchen viel kleiner als die Wellenlänge der einfallenden Strahlung sind. Diese Streuung wird vernachlässigbar im Vergleich zur Aerosolstreuung bei Wellenlängen von mehr als einem Mikrometer. Für unsere Zwecke betrifft sie das sichtbare Licht, nicht die IR-Strahlung. Das Licht wird in alle Richtungen gleichmäßig gestreut, aber kürzere Wellenlängen (Blau) werden stärker gestreut als längere Wellenlängen (Rot). Der Himmel erscheint blau, weil blaue Photonen, die von der Sonne kommen, viel stärker gestreut werden als rote Photonen.

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Quelle: meted/ucar

Im Gegensatz zur Mie-Streuung ist die Rayleigh-Streuung stark wellenlängenabhängig. Die Rayleigh-Streuung ist umgekehrt proportional zur 4. Potenz der Wellenlänge (λ-4), das heißt, kürzere Wellenlängen werden stärker gestreut als große Wellenlängen. Die kurzwelligen violetten und blauen Anteile des Sonnenlichts (Wellenlängen L= 0,38 bis 0,45 µm) werden stärker gestreut als das langwellige Licht (Orange und Rot, L=0,65 bis 0,75 µm). Bei hohem Sonnenstand ist die Strecke, die das Licht durch die Atmosphäre zurücklegen muss zu kurz, um nennenswerte Lichtanteile im langwelligen Spektralbereich zu streuen, während im kurzwelligen Bereich eine wesentliche Streuung stattfindet. Daher erscheint das Streulicht (und damit der Himmel) blau.

Bei niedrigem Sonnenstand ist die Strecke des Sonnenlichts durch die Erdatmosphäre groß genug, um auch nennenswerte Anteile des roten Lichts zu streuen. Während die blaue Intensität durch die stärkere Streuung über den gesamten Himmel verteilt wird, überwiegt der Rotanteil in der „Umgebung” um die Sonne. Die gestreute Strahlung erreicht die Erdoberfläche aus allen Himmelsrichtungen.

Rayleigh-Streuung bei Tag und bei Sonnenuntergang

Die folgende Grafik veranschaulicht die Wirkung der Rayleigh-Streuung zu unterschiedlichen Tageszeiten. Tagsüber legt die Sonnenenergie den kürzesten Weg durch die Atmosphäre zurück. Die Rayleigh-Streuung bewirkt, dass ein klarer Himmel als blau wahrgenommen wird.

Bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang legt das Sonnenlicht einen längeren Weg durch die Atmosphäre zurück, bevor es uns erreicht. Die gesamte Strahlung kürzerer Wellenlängen wird nach einer gewissen Strecke gestreut, und nur die längeren Wellenlängen erreichen die Erdoberfläche. Infolgedessen sehen wir keinen blauen, sondern einen orangefarbenen oder roten Himmel.

Rayleigh-Streuung bei Tag und bei Sonnenuntergang Rayleigh-Streuung bei Tag und bei Sonnenuntergang Quelle: Principles of Remote Sensing

Die Rayleigh-Streuung stört die Fernerkundung im sichtbaren Spektralbereich aus großen Höhen. Sie führt zu einer Verzerrung der spektralen Eigenschaften des reflektierten Lichts im Vergleich zu Messungen am Boden: Aufgrund der Rayleigh-Streuung werden die kürzeren Wellenlängen überschätzt. Bei Farbfotos, die aus großer Höhe aufgenommen wurden, ist sie für den Blaustich der Bilder verantwortlich. Im Allgemeinen vermindert die Rayleigh-Streuung die "Schärfe" von Fotos und damit ihre Interpretierbarkeit. In ähnlicher Weise wirkt sich die Rayleigh-Streuung negativ auf die digitale Klassifizierung von Daten aus multispektralen Sensoren aus.


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