Lexikon der Fernerkundung

elektromagnetische Strahlung

Engl. electromagnetic radiation, franz. rayonnement électromagnétique; elektromagnetische Strahlung (emS) ist eine Form der Energieausbreitung, die von jeder Materie mit einer Temperatur über dem absoluten Nullpunkt (-273,15 °C) ausgeht. Ein Beispiel für emS ist das sichtbare Licht mit seinen verschiedenen Farben, aber es gibt auch nicht sichtbare Strahlung, die denselben Gesetzen gehorcht. DIN 18716 (Photogrammetrie und Fernerkundung – Begriffe) vom Juni 2017 definiert emS wie folgt: "Energie, die in Form von elektromagnetischen Wellen im Raum übertragen wird".

Ein Körper, d.h. ein Objekt, absorbiert und/oder reflektiert dabei in Abhängigkeit von seinem Zustand (z.B. Erwärmung eines Körpers bzw. Wuchsstadium einer Pflanze) elektromagnetische Strahlung. Ein Teil der absorbierten Strahlung wird als Wärmestrahlung (Thermalstrahlung) emittiert.

Elektromagnetische Strahlung kann als Wellenstrahlung verstanden werden, d.h. als Wellen sich periodisch ändernder elektrischer und magnetischer Felder, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Diese Felder stehen senkrecht aufeinander und zur Ausbreitungsrichtung. Die Wellen entstehen durch Schwingung oder Beschleunigung elektrischer Ladungen. Die Wellen sind regelmäßige Änderungen der Felder, die in Sinus-Funktionen beschrieben werden (s. elektromagnetische Welle).

Gekennzeichnet wird emS durch die Frequenz ν, die in Hertz (Hz) gemessen wird, oder die Wellenlänge λ. Die Wellenlänge bezeichnet die Länge eines vollen Zyklus (von Maximum zu Maximum). Die Anzahl der Zyklen, die einen bestimmten Ort in einer Sekunde passieren, ist die Frequenz. Dabei gilt die Beziehung λ · ν = c, wobei c die Ausbreitungsgeschwindigkeit (= Lichtgeschwindigkeit) ist. In der Fernerkundung ist es weitgehend üblich, die Wellenlänge λ zur Charakterisierung der elektromagnetischen Strahlung zu verwenden. Dazu werden folgende Einheiten benutzt:

1 nm (Nanometer) 1 · 10-9 m
1 µm (Mikrometer) 1 · 10-6 m
1 mm (Millimeter) 1 · 10-9 m

Die Gesamtheit der bei der emS vorkommenden Strahlung wird im elektromagnetischen Spektrum dargestellt. Elektromagnetische Strahlung entsteht durch die Umwandlung anderer Formen von Energie. Die Sonne nutzt Kernenergie, Kerzen usw. nutzen chemische Energie, moderne technische Strahler nutzen meist elektrische Energie.

Elektromagnetische Wellen haben eine elektrische und eine magnetische Komponente. Das Spektrum der emS erstreckt sich von Wellen mit extrem hoher Frequenz und entsprechend kleiner Wellenlänge bis zu extrem niedriger Frequenz und großer Wellenlänge. Das sichtbare Licht stellt nur einen sehr kleinen Teil aus dem elektromagnetischen Spektrum dar. Das gesamte elektromagnetische Spektrum besteht, nach abnehmender Frequenz geordnet, aus Gammastrahlung, harter und weicher Röntgenstrahlung, Ultraviolettstrahlung, sichtbarem Licht, Infrarotstrahlung, Mikrowellen und Radiowellen.

Im Gegensatz zu Wasserwellen oder Schallwellen sind elektromagnetische Wellen bei ihrer Ausbreitung nicht auf Materie als Medium angewiesen. Daher können Licht-, Radio- und andere elektromagnetische Wellen auch den interplanetaren und den interstellaren Raum durchqueren und gelangen auf diesem Weg von den Sternen wie der Sonne zur Erde. Elektromagnetische Wellen sind aber ebenfalls in der Lage, sich durch Materie fortzupflanzen. So können sich diese Wellen nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten (z. B. in Abhängigkeit der Frequenz) beispielsweise auch entlang von Strom- oder Glasfaserkabeln ausbreiten. Unabhängig von ihrer Frequenz bzw. Wellenlänge bewegen sich elektromagnetische Wellen im Vakuum stets mit der Geschwindigkeit von 299.792 Kilometern pro Sekunde fort (Lichtgeschwindigkeit). Jede emS weist die typischen Merkmale der Wellenausbreitung auf, also auch Beugung und Interferenz. Die Wellenlängen reichen von einigen milliardstel Zentimeter bis zu mehreren Kilometern. Abhängig von ihrer Wellenlänge bzw. Frequenz haben sie verschiedene Charakteristika, zu denen Durchdringungsvermögen, Wärmewirkung oder Sichtbarkeit gehören können.

Bei der emS einer Oberfläche unterscheidet man zwischen Reflexion (zurückgeworfenes Licht) und Emission (von der Oberfläche selbst ausgesandte Strahlung). Reflektiertes Sonnenlicht kann nur tagsüber gemessen werden, während Emissionen rund um die Uhr messbar sind.

Zwischen der Oberflächentemperatur eines Objektes und dem Strahlungsmaximum in einer bestimmten Wellenlänge besteht ein direkter Zusammenhang. Das bedeutet, dass die Oberflächentemperatur auf der Basis der entfernten Emissionsmessung bestimmt werden kann.

Die wichtigste Quelle von emS (für die Fernerkundung) stellt die Sonne dar. Die Atome der Sonne stehen unter hohem Druck und strahlen kontinuierlich. Die sichtbare Sonnenoberfläche hat eine Temperatur von etwa 6.000 K. Sie sendet Wellen aller Frequenzen aus, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität. Das Emissionsmaximum liegt im Bereich des sichtbaren Lichts und des nahen Infrarots, genauer gesagt bei 0,5 µm. Dies ist im Bereich des Spektrums, für den das menschliche Auge am empfindlichsten ist.

Emission von Oberflächen in Abhängigkeit
von der Oberflächentemperatur
Emission von Oberflächen in Abhängigkeit von der Oberflächentemperatur Quelle: ESA Eduspace

Da die Erde nur wenig Energie in Form von sichtbarem Licht abstrahlt, ist sie selbst nur zu erkennen, weil sie das sichtbare Licht der Sonne reflektiert. Sonnenstrahlen, die auf die Erde auftreffen, werden entweder absorbiert oder reflektiert. Absorbierte Strahlen erwärmen die Erde, reflektierte Strahlen sind für das menschliche Auge sichtbar und können per Satellit gemessen werden. Der von einer Oberfläche reflektierte Prozentsatz des Sonnenlichts wird als Albedo-Wert angegeben.

Von besonderer Bedeutung für die Erdfernerkundung sind mehrere Spektralbereiche des elektromagnetischen Spektrums im sichtbaren Licht, im Infrarot und auch im Mikrowellenbereich. Das sichtbare Licht erstreckt sich im Wellenlängenbereich etwa zwischen 0,4 µm bis 0,7 µm, an das sich das Ultraviolett (kurzweilige Seite) und das Infrarot (längerwellige Seite) anschließen. Das Infrarot wird weiter unterteilt in das nahe Infrarot (etwa zwischen 0,7 µm bis 1,1 µm), in das kurzweilige Infrarot (etwa zwischen 1,1 µm bis 3 µm), in das mittlere Infrarot (etwa zwischen 3 µm bis 7 µm) und in das ferne Infrarot (etwa ab 7 µm), das auch Thermalstrahlung genannt wird. Dabei sind die verschiedenen Bereiche nicht scharf zu trennen, sie gehen ineinander über. Die Unterbereiche des Infrarots werden von verschiedenen Autoren zuweilen auch anders definiert. Es ist anzumerken, dass die Erdfernerkundung nur Teile dieser Spektralbereiche nutzen kann.

Für die Fernerkundung dient die emS als Medium zur Informationsübertragung. Die emS wird verfahrenstechnisch in zweifacher Hinsicht genutzt. Zum einen wird für eine Messung die natürliche Strahlung der interessierenden Wellenlängen genutzt (passive Verfahren), zum anderen werden definierte elektromagnetische Strahlungsquellen eingesetzt und die von der Zielgröße abhängigen Veränderungen bestimmt (aktive Verfahren, vor allem Radar und Lidar).

Als Problem erweist sich die Veränderung eines Nutzsignals durch die Atmosphäre. Diese wird durch Anwendung spezieller Methoden korrigiert (Atmosphärenkorrektur).

Elektromagnetische Strahlung kann entweder photographisch oder elektronisch erfasst werden. Bei dem photographischen Prozess bewirken chemische Reaktionen auf einer lichtempfindlichen Schicht eine Variation von Grautönen, hervorgerufen durch unterschiedliche Energie. Ein Luft- oder Satellitenbild kann aber auch digital vorliegen. Bei der Digitalisierung wird das Bild in eine Vielzahl rechteckiger Flächen (picture elements), den sogenannten Pixel eingeteilt. Nach dem Prozess der Umwandlung von Grautönen in elektrische Signale werden die Grautöne als Zahlen oder Digital Numbers (DN) dargestellt.

digitalisierung_1 Digitalisierungsvorgang

Rasterbild mit Grauwerten (z.B. 256 verschiedenen) und
Dezimaldarstellung der Grauwerte

Quelle: Wunderle / Oesch, Skript Geoinformatik Teil 3 (GIUBern)

Der Sensor zeichnet nicht kontinuierlich über das gesamte Spektrum die einfallende Energie auf, sondern nur in einzelnen Bändern bzw. Kanälen (channels). Diese Kanäle können wir unterschiedlich kombinieren und darstellen indem einzelne Kanäle den Grundfarben Rot, Grün und Blau (RGB) zugeordnet werden. Je nach der Größe der Digital Numbers in den verschiedenen Kanälen entstehen die unterschiedlichsten Farben auf dem Computerbildschirm.


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