Lexikon der Fernerkundung

Katastrophenmonitoring

Das Monitoring (Überwachung) von katastrophenträchtigen Regionen bzw. Erscheinungen, z.B. von Vulkanen mit ihren präeruptiven Äußerungen (vulkanische Erdbeben, Aufbeulung der Erdkruste, verstärkte Gasemissionen, Aufheizung u.a.). Für Vulkane, die nicht mit konventionellen Methoden überwacht werden, erlaubt die Fernerkundung durch Satelliten nicht nur komplementäre Beobachtungen, sondern bietet auch neue Methoden, z.B. die Veränderung von Krustendeformationen über das synthetische Apertur-Radar. Daneben betrifft die satellitengestützte Vulkanüberwachung vor allem den Nachweis von Eruptionen, Überwachung thermischer Veränderungen sowie Überwachung der Eruptionssäulen. Gleichfalls zum Objekt des Katastrophenmonitorings gehören technologische Gefahren und Katastrophen (Dammbrüche, Terrorattacken).

Die wichtigsten Faktoren, die den Nutzen der Fernerkundungsdaten im Bereich von natürlichen und technologischen Gefahren bestimmen sind Massstab, räumliche, spektrale und zeitliche Auflösung, ferner Flächenabdeckung, radiometrische Eigenschaften, Datenkosten und -verfügbarkeit. Gerade in diesem Aufgabenfeld steigert sich die Bedeutung und der Wert der Fernerkundungsdaten durch sachkundige Interpretation in Verbindung von herkömmlichen Karten und bodengestützten Daten. Eine Extraktion der Informationen und deren Integration in ein GIS kann für die humanitäre Hilfe von großer Bedeutung sein.

Die Bedeutung von Sensoren im sichtbaren Teil des Spektrums ist wegen der häufigen Wolkenbedeckung von Vulkanen eingeschränkt. Radarsatelliten erlauben Datengewinnung bei jedem Wetter, können aber keine thermische Strahlung aufnehmen. Multispektrale Sensoren mit hoher räumlicher Auflösung eignen sich weniger gut zu einer häufigen Überwachung von Vulkanen als Sensoren mit geringer Auflösung.

Der Vulkan Piton de la Fournaise auf Réunion Der Vulkan Piton de la Fournaise auf Réunion (21,2°S, 55,7°E)

Bildfolge von thermischen Anomalien, aufgenommen mit dem Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer (MODIS) an Bord von Terra. Die roten Punkte mit den grünen Ringen belegen die Eruptionen im Januar 2002.

Quelle: NASA Earth Observatory

Auch ENSO-begleitende Katastrophen (z.B. Waldbrände, Hochwasser, Dürren, Stürme) sind wie das Ozean/Klima-Phänomen selbst Gegenstand intensiven FE-Monitorings. Weitere Einsatzmöglichkeiten der Fernerkundung im Katastrophenmonitoring ergeben sich aus der Tabelle beim Stichwort Katastrophenmanagement.

Bis in die jüngere Vergangenheit hinein wurde bei Katastrophen mit Satellitenfernerkundung allerdings eher experimentell in der Nachsorge reagiert. Erst vor kurzer Zeit sind Weltraumagenturen wie NASA und ESA, koordiniert durch das globale Komitee der erdbeobachtenden Weltraumagenturen CEOS, sowie kommerzielle Datenanbieter dabei, sich stärker auf die Bedürfnisse von Anwendern in Hilfsorganisationen oder Versicherungen einzustellen. Sie entwickeln Hilfen für die Risiko- und Vulnerabilitätskartierung und Strukturen für raschere Informationsdienste. Anfang 2013 nahm das am DLR angesiedelte Zentrum für Satellitengestützte Kriseninformation (ZKI) seine Arbeit auf. Seine Aufgabe ist die Bereitstellung eines 24/7 Service für die schnelle Beschaffung, Aufbereitung und Analyse von Satellitendaten bei Natur- und Umweltkatastrophen, für humanitäre Hilfsaktivitäten und für die zivile Sicherheit weltweit. Die Produkte werden nach den spezifischen Bedürfnissen für nationale und internationale politische Entscheidungsträger, Lagezentren sowie Hilfsorganisationen erstellt und auch der Öffentlichkeit frei zugänglich gemacht. Das ZKI operiert dabei im nationalen und internationalen Kontext und ist eng mit verschiedenen behördlichen Partnern, Nicht-Regierungsorganisationen sowie Satellitenbetreibern und Weltraumorganisationen vernetzt.

Bei Naturkatastrophen kann die Detektion ihrer kurzfristigen, abrupten und zeitkritischen Veränderungen auch auf Grundlage einer Kombination von optischen und SAR-Daten durchgeführt werden. Aus den Anwendungen ergeben sich verschiedene Kombinationsmöglichkeiten, die jeweils eigene Fusions- und Auswertemethoden verlangen.

Im Katastrophenfall müssen so schnell wie möglich Bilder der betroffenen Regionen aufgenommen und ausgewertet werden. Das aktive und wetterunabhängige SAR spielt daher eine große Rolle bei der raschen Datenerfassung im Zuge solcher Ereignisse. Moderne SAR-Satelliten wie TerraSAR-X oder Cosmo-SkyMed können in verschiedenen Modi betrieben werden, welche man im konkreten Fall unter Abwägung des gewünschten Detailgrades der Abbildung sowie der Größe des aufzunehmenden Gebiets auswählen kann. Geht es um ein relativ kleines Gebiet mit urbanen Strukturen und ist ein hochauflösender luftgestützter SAR-Sensor verfügbar, so können flexibel Aufnahmen aus beliebigen Richtungen gemacht werden. Handelt es sich allerdings um sehr große Flächen, für die innerhalb einer kurzen Zeitspanne nur sehr wenig hochauflösende Aufnahmen vorhanden sein werden, wird man gegebenenfalls einen verringerten Detailgrad zugunsten einer möglichst vollständigen Abdeckung in Kauf nehmen. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass bei solch zeitkritischen Anwendungen meist nur Satellitendaten in Frage kommen. Luftgestützte Daten lassen sich zwar mit besserer Auflösung und sehr viel flexibler aufnehmen. Allerdings gibt es weltweit nur wenige operationelle luftgestützte Sensoren, deren Verlegung ins Krisengebiet noch dazu oft zu lange dauert. Mit der zunehmenden Verfügbarkeit von zivilen, leistungsfähigen Drohnen wird sich diese Situation in Zukunft jedoch ändern und es werden schneller und flexibler luftgestützte SAR-Daten (ergänzend zu Satellitenaufnahmen) gemacht werden können.

Auch bezüglich der Fusion mit optischen Daten gibt es mehrere Möglichkeiten im Katastrophenfall. Oft liegen für die betroffene Region bereits optische Bilder vor, die vor dem Ereignis aufgenommen worden sind. Direkt während oder nach einer Katastrophe stehen aufgrund von Wolkenbedeckung oder mangelndem Tageslicht indes häufig keine optischen Satellitenbilder hoher Qualität zur Verfügung. In solchen Fällen greift man auf aktuelle SAR-Daten zurück, die man mit älteren optischen Bildern vergleicht und daraus eine Schadenskarte anfertigt, welche den örtlichen Behörden und Hilfskräften als Grundlage für die Planung von Einsätzen dient. Stehen sowohl optische als auch SAR-Daten gleichzeitig nach einer Katastrophe zur Verfügung, können beide Aufnahmen kombiniert werden, um z.B. Gebäudehöhen zu schätzen.

Zur Detektion von Veränderungen bei zeitkritischen Anwendungen werden vor allem mittel- und großmaßstäbige Daten ausgewertet, da der Detailgrad geringer aufgelöster Bilder nicht zur Erkennung von Objekten wie Gebäuden oder Straßen ausreicht. In Abhängigkeit von der Auflösung und den interessierenden Objekten wird für die automatische Analyse von Veränderungen entweder eine pixel-basierte, eine objektbasierte oder eine Kombination aus beiden Herangehensweisen gewählt. Generell gilt, je größer der Maßstab (d. h. je höher die geometrische Auflösung) der zu kombinierenden optischen und SAR-Daten ist, desto mehr kann und muss objektbasiert mit Modellwissen gearbeitet werden. Dies spielt insbesondere bei 3D-Objekten wie Gebäuden eine Rolle, da sich die verschiedenen Abbildungseigenschaften dort deutlich ausprägen. (Sörgel u.a. 2017)

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