Lexikon der Fernerkundung

Katastrophenmanagement

Syn. Risikomanagement; das systematische Management von Verwaltungsentscheidungen, Organisation, operationellen Kompetenzen und Fähigkeiten, um politische Prozesse, Strategien und Bewältigungskapazitäten einer Gesellschaft oder Gemeinschaft zu implementieren, um die Auswirkungen von Naturgefahren und ähnlichen Umwelt- und technologischen Katastrophen zu verringern. Dies beinhaltet alle Arten von Aktivitäten, einschließlich technischer und nichttechnischer Maßnahmen, um negative Effekte von Gefahren zu vermeiden (Vorbeugung) oder zu begrenzen (Schadenminderung und Vorbereitung auf den Katastrophenfall). Wichtiger Bestandteil sind Frühwarnsysteme und ausgearbeitete Katastrophenpläne für Entscheidungsträger und die Bevölkerung.

Überschwemmungen in Westdeutschland 2021

Im Westen Deutschlands hat langanhaltender Starkregen für Überschwemmungen gesorgt. Menschen kamen ums Leben, zahlreiche Gebäude und Infrastrukturen wurden zerstört. Besonders betroffen sind Orte in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unterstützt die Helfer mit einer Reihe von Aktivitäten: Satellitendaten und DLR-Luftbildaufnahmen werden innerhalb kürzester Zeit ausgewertet und zum Beispiel zu Karten aufbereitet. Das Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation (ZKI) gibt die Lageinformationen an das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) oder das Deutsche Rote Kreuz (DRK) weiter. Außerdem besteht ein ständiger Austausch mit dem Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) und seinem satellitengestützten Krisen- und Lagedienst. Das ZKI ist eine Einrichtung im Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) in Oberpfaffenhofen. Es analysiert Erdbeobachtungsdaten und erstellt daraus aktuelle Informationen.

Das ZKI hat für Regionen in Nordrhein-Westfalen Hochwasserinformationen aus Satellitendaten (Sentinel-1) abgeleitet. Die Auswertung erfolgt mit automatisierten Verfahren. Die Bilder und die sogenannten „Wassermasken“, die die Ausdehnung der Wasserflächen verdeutlichen, stehen den Helfern zur Verfügung. Außerdem zeigt das ZKI besonders betroffene Orte, die gemeinsam mit den Rettungskräften vor Ort definiert werden, in Lagekarten. Hierfür hat das DLR Luftbilddaten mit Auflösungen von zehn bis 15 Zentimetern mit einer Kamera des Instituts für Methodik der Fernerkundung erfasst. Die Flüge konnten in Zusammenarbeit mit Partnern spontan realisiert werden.

Hochwasserlage Landkreis Euskirchen vom 15. Juli 2021 - Übersichtskarte Hochwasserlage Landkreis Euskirchen vom 15. Juli 2021 - Übersichtskarte

Die Karte zeigt die Hochwassersituation im Umland von Euskirchen am 15. Juli 2021. Der Hochwasserlayer wurde mittels automatisierter Verfahren aus Sentinel-1 Satellitendaten (10 m) abgeleitet. Sentinel-2 Daten mit einer räumlichen Auflösung von 10 (1. Juni 2021) dienen als Hintergrundbild. Ferner wurden Vektordaten von ©GeoBasis-DE / BKG 2021 zur Kartenerstellung verwendet.

Die Aufnahmen und Karten entstehen im Rahmen des Forschungsprojektes AIFER in enger Zusammenarbeit mit dem Bayrischen Roten Kreuz (BRK) und dem DRK. AIFER entwickelt Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI), die Informationen aus Satellitendaten, Luftbildern und Medien automatisiert erkennen und verbinden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt.

Ein Teil der Karten ist auch zum Download allgemein verfügbar.

Quelle: DLR

Die Rolle von Fernerkundungsverfahren

Eine besondere Stellung beim Katastrophenmanagement haben Fernerkundungsverfahren und die daraus abgeleiteten Geodaten. Deren Möglichkeiten, die von der Vorhersage etwa von Niederschlägen mit Satellitenbeobachtungen oder Radar bis zur Verwendung von GPS zur Lokalisierung von Einsatzfahrzeugen bei der Katastrophenhilfe reichen, werden heute intensiv erforscht und zur Einsatzfähigkeit entwickelt. So können Satellitenaufnahmen nicht nur zur Erkundung schwer zugänglicher Gebiete dienen, sondern sie bieten darüber hinaus zahlreiche Einsatzmöglichkeiten direkt bei Eintritt einer Katastrophe. Für die Rettungskräfte tragen sie bei zu besserer Prävention und lageangepasster Einsatzvorbereitung, zu umfassender Lage- und Gefährdungsbeurteilung und zur Verbesserung der lageangepassten Einsatzdurchführung.

Die folgende Tabelle listet Einsatzmöglichkeiten von Fernerkundungstechniken im Katastrophenmanagement auf. Manche dieser Möglichkeiten sind derzeit noch nicht bis zur Einsatzreife entwickelt. Z.B. können Satellitenbilder üblicherweise noch nicht in Echtzeit zur Verfügung gestellt werden. Andererseits bieten Technologien wie GIS und GPS, vor allem in ihrer Kombination, neue Möglichkeiten zur Verbesserung des Einsatzes von Hilfsfahrzeugen.

Einsatzmöglichkeiten von Fernerkundungstechniken im Katastrophenmanagement
Katastrophenursache ermittelbare Parameter Sensoren/Satelliten
Erdbeben Topographie
digitale Höhenmodelle
Zustandsveränderungen
(Interferometrie)
SPOT
Landsat TM
ERS-1/-2
Radarsat
Dürre Niederschlag
Vegetationsindex
Vegetationszustand
Bodenfeuchte
NOAA-AVHRR
SPOT
Landsat TM
Meteosat, MSG
Flut (u.a. Hochwasser) Niederschlag
Topographie
Wolkenbedeckung
Überflutungsflächen
Schneebedeckung
Bodenfeuchte
NOAA-AVHRR
ERS-1/-2
Meteosat, MSG
Vulkanausbrüche Deformationen
Aufwölbungen
Eruptionswolken
Oberflächentopographie
Hangneigungen
ERS-1/-2
SPOT
Landsat TM
Stürme (Wind, Sandstürme) Wolkenbedeckung
Windfelder
Luftdruck
Niederschlag
Meteosat, MSG
NOAA-AVHRR
ERS-1/-2
GOES
Wildfeuer Oberflächentemperaturen
Vegetationsindex
Topographie
NOAA-AVHRR
ERS-1/-2
SPOT
Landsat TM
Hangrutschungen digitale Geländemodelle
Bodenfeuchte
Niederschlag
Zustandsveränderungen
SPOT
Landsat TM
ERS-1/-2
Massenschädlinge digitale Geländemodelle
Vegetationszustände
Bodentemperatur
Klimafaktoren
NOAA-AVHRR
ERS-1/-2
SPOT
Landsat TM

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