Lexikon der Fernerkundung

Deformation der Erde

Verformung der Erde aufgrund innerer (endogener) und äußerer (exogener) Kräfte. Die Deformationen lassen sich nach ihrer räumlichen Ausdehnung in globale, regionale und lokale sowie nach ihrem zeitlichen Ablauf in säkulare (langandauernde), lang- und kurzperiodische (bzw. nieder- und hochfrequente) und episodische (vorübergehende) Effekte aufteilen. Nach dem physikalischen Materialzustand werden elastische, viskose und plastische Deformationen unterschieden.

Globale Deformationen werden als langandauernde Vorgänge durch Kräfte im Erdinnern hervorgerufen. Die Erdoberfläche wird dabei durch tektonische Prozesse (Tektonik) deformiert. Äußere Kräfte wirken mit langer Dauer vor allem bei Klimavariationen durch die veränderte atmosphärische Auflast oder durch das Abschmelzen von Eis bzw. Gefrieren von Wasser in den Polargebieten und die damit verbundene Änderung des Meeresspiegels. Globale periodische Deformationen werden in erster Linie durch äußere Kräfte in Form der Erdgezeiten (Anziehungskräfte von Sonne, Mond, Planeten) sowie die jahreszeitliche Variation der atmosphärischen Auflast und des Wasserkreislaufs (ozeanische Zirkulation, Veränderungen des Meeresspiegels durch Schmelz- und Gefrierprozesse des Polareises) erzeugt. Die Ursachen langandauernder regionaler und lokaler Deformationen sind vor allem bei menschlichen Eingriffen zu suchen. Der Abbau von Rohstoffen (Erdöl, Kohle etc.), die Veränderung des Grundwasserspiegels oder die Akkumulation von Massen (Aufstauen von Wasser, Deponieren von abgebautem Material, etc.) führt zu Deformationen der Erdoberfläche und Erdkrustenbewegungen.

Das Geoid

Das Geoid hat auf Grund unterschiedlicher Massenverteilung im Erdmantel Beulen und Dellen. Eine starke Überhöhung in der Darstellung ergibt die „Kartoffel-Figur“ der Erde. Das Geoid ist die ideale physikalische Höhenbezugsfläche für die Landesvermessung.

Schwerewerte sind die Voraussetzung für präzise Höhenmessungen. Sie stellen auch eine wichtige Grundlage für die Geowissenschaften bei der Rohstoffsuche und Lagerstättenforschung dar. Lagerstätten heben sich durch unterschiedliche Massenverteilung von ihrer Umgebung im Erdmantel ab.

Insbesonders bei Höhenmessungen muss eine Bezugsfläche gewählt werden, die in jedem ihrer Punkte senkrecht zu der jeweiligen Lotrichtung verläuft. Ideal wäre die Fläche ruhender Ozeane, weil sie sich nach Maßgabe der Schwerkraft ausbilden. Wenn man sich diese Wasserfläche anschaulich auch unter den Kontinenten fortgesetzt denkt, erhält man eine von den Schwereeinflüssen geprägte Erdform. Sie wird in Anlehnung an das griechische Wort für Erde als das Geoid bezeichnet und als eigentliche Figur der Erde betrachtet. Das Geoid stellt somit die ideale physikalische Höhenbezugsfläche für die Landesvermessung dar.

Geoid-Gestalt der Erde I Geoid-Gestalt der Erde Quelle: LGL B.-W.

Die folgende Geoid-Form der Erde ist berechnet nach den Messungen der GRACE-Satelliten-Mission. Auf Grund der Massenunterschiede im Erdinnern ist die massenabhängige Anziehungskraft nicht überall gleich. Im Bild sind die Unregelmäßigkeiten im Schwerefeld der Erde in 15.000-facher Überhöhung dargestellt als Abweichungen vom Rotationsellipsoid. Erkennbar ist eine Absenkung des Meeresspiegels südlich von Indien. In diesem Bereich liegt der Meeresspiegel rd. 105 m unter dem Rotationsellipsoid.
Die Geoid-Höhen sind über den Ozeanen von dunkelblau (-105 m) bis rot (+85 m) eingefärbt, grün/gelb markiert die Null-Linie. Zur besseren Orientierung sind die Kontinente grau dargestellt.

Geoid-Gestalt der Erde II Geoid-Gestalt der Erde II

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Quelle: GFZ

Periodische regionale Deformationen ergeben sich vor allem durch jahreszeitlich bedingte meteorologische (atmosphärische Auflast) und hydrologische (Grundwasserschwankungen, Schneeauflast etc.) Variationen. Dabei wird die Erdkruste in begrenzten Gebieten radial (vertikal) verformt. Episodische (vorübergehende) Deformationen entstehen hauptsächlich regional und lokal nach Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Bergstürzen etc. Sie verformen die Erdoberfläche und Teile der Erdkruste dauerhaft. Die Deformationen des tieferen Erdinnern (Erdmantel, Erdkern) sind langsame Fließvorgänge, denen ein viskoses (zähflüssiges) Materialverhalten zugrunde liegt. Dagegen können die langandauernden und periodischen Verformungen der Erdkruste im allgemeinen als elastische Prozesse angesehen werden. Bei den episodischen Deformationen der Erdoberfläche muß ein plastisches Materialverhalten unterstellt werden. Betrachtet man also die Erde als Ganzes und will ihre Deformation realistisch beschreiben oder modellieren, so muß eine Kombination des unterschiedlichen Materialverhaltens (elastisch-viskos-plastisch) berücksichtigt werden.

Die Deformationen der Erde und ihre Auswirkungen können mit geodätischen Raumverfahren - häufig gestützt auf Fernerkundungsmethoden - beobachtet und präzise gemessen werden. Der direkte Effekt ist eine geometrische Veränderung der Form der Erdoberfläche (Erdkrustenbewegungen). Die langandauernden tektonischen Prozesse führen über Millionen von Jahren zu horizontalen Verlagerungen der äußeren Erdschichten um Tausende von Kilometern (Plattenkinematik) und zu vertikalen Bewegungen (Hebungen und Senkungen im Rahmen der Gebirgsbildung bis zu einigen tausend Metern. Die daraus resultierenden meßbaren Bewegungen erreichen Geschwindigkeiten von einigen Zentimetern pro Jahr. Periodische Deformationen erreichen bei den Erdgezeiten radiale (vertikale) Bewegungen von maximal 40 cm pro Tag. Die Auflasteffekte (atmosphärisch, ozeanisch, hydrologisch) sind dagegen vergleichsweise gering (wenige Millimeter).

Episodische Deformationen nach Erdbeben können horizontale Versetzungen bis zu mehreren Metern entlang der Verwerfungslinie erzeugen. Die vertikalen Veränderungen sind im allgemeinen etwas geringer, erreichen aber teilweise auch Meterbeträge. Indirekte Effekte der Deformationen der Erdkruste sind u.a. Variationen der Rotation der Erde und der Erdanziehungskraft (Schwere) aufgrund der veränderten Massenverteilung innerhalb der Erde. Auch diese Auswirkungen sind mit Methoden der Geodäsie und der Fernerkundung messbar.

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