Lexikon der Fernerkundung

Meeresspiegel

Syn. Meeresoberfläche; Grenzfläche zwischen Atmosphäre und Hydrosphäre. Der aktuelle Meeresspiegel unterliegt zahlreichen, räumlich und zeitlich stark variierenden Einflüssen. Oberflächenwellen werden durch Schwankungen des Wind- und Luftdruckfeldes angeregt. Der Meeresspiegel steigt und fällt vor allem an den Küsten durch die Anziehungskräfte von Sonne und Mond im etwa halb- und ganztägigen Rhythmus. Der Meeresspiegel tendiert dazu, Luftdruckschwankungen auszugleichen (inverser Barometereffekt). Schließlich ergeben sich Wasserstandsänderungen durch Verlagerung von Meeresströmungen und Dichteunterschiede des Wassers, die durch Veränderungen von Temperatur- und Salzgehalt verursacht werden. Sekundärkräfte wie die Corioliskraft, Reibung und Reflexion beeinflussen ebenfalls den Meeresspiegel.

Heutzutage stellt ein dichtes Netzwerk von Pegelstationen wertvolle Informationen über die Entwicklung der Ozeanoberfläche zur Verfügung, allerdings sind Pegelmessungen alleine nur bedingt zur Analyse von langzeitlichen Meeresspiegeländerungen geeignet. Begrenzungen beruhen zum einen darauf, dass Pegelstationen hauptsächlich an Ozeanrändern zu finden sind und ihnen daher die räumliche Abdeckung fehlt, die zu einer umfassenden Beschreibung der Ozeantopographie benötigt wird. Zusätzlich liefern Pegelstationen Messungen des relativen Meeresspiegels, der neben den Volumenveränderungen des Ozeans zusätzlich Information über die vertikalen Bewegungen der Landmassen (zum Beispiel infolge von postglazialen Landhebungen) beinhaltet. Während der Einfluss von Landmassenbewegungen heutzutage mit Modellen oder durch die gemeinsame Analyse mit GPS-Sensoren größtenteils kompensiert werden kann, ist sowohl die Verfügbarkeit als auch die Genauigkeit dieser Korrekturmethoden für historische Daten in der Regel beschränkt.

Fernerkundungsbasierte Beobachtungen des Meeresspiegels beruhen hauptsächlich auf Messungen satellitengestützter Altimetersysteme. Während erste altimeterbasierte Meeresspiegelmessungen bereits in den 1970er-und 1980er-Jahren durchgeführt wurden, sind operationelle Beobachtungen mit ausreichender Qualität und ausreichender globaler Abdeckung erst seit dem Start des TOPEX/Poseidon-Systems in den 1990er-Jahren verfügbar. Seit dieser Zeit haben Altimetermissionen wie TOPEX/Poseidon, dessen Nachfolgemissionen Jason-1, Jason-2 und Jason-3 sowie andere Systeme kontinuierlich den Meeresspiegel abgetastet und Information über die Ozeantopographie erfasst. Gegenüber traditionellen Pegelmessungen haben Fernerkundungsverfahren den Vorteil, dass sie flächendeckende Informationen über den Zustand des Meeresspiegels zur Verfügung stellen. Darüber hinaus sind Altimetermessungen zu geringerem Maße von vertikalen Bewegungen der Landmassen beeinflusst und sind daher einfacher zu prozessieren und zu interpretieren.

Jason-1 war die erste Nachfolgemission auf die äußerst erfolgreiche Mission TOPEX/Poseidon. Die Nutzlast dieser zweiten Gemeinschaftsmission von NASA und CNES wurde auf einem französischen PROTEUS-Satellitenbus installiert und mit einer amerikanischen Delta II-Rakete von der Vandenburg Air Force Base in Kalifornien ins All geschossen.

Jason-1 Measurement System Jason-1 Messsystem

Wie bei TOPEX/Poseidon enthielt die Nutzlast von Jason-1 sowohl amerikanische wie auch französische Instrumente. Die Altimeterdaten von Jason- 1 sind Teil einer ganzen Reihe von Daten, die von anderen Ozeanmissionen stammen.

Die GRACE-Mission setzt zwei Satelliten ein, um das Schwerefeld der Erde (Massenverteilung) hochgenau zu vermessen, und die Scatterometer-Mission von QuikSCAT hat fast 11 Jahre Daten zu den Winden an der Ozeanoberfläche geliefert.

Quelle: NASA JPL

Der mittlere Meeresspiegel ist die über längere Zeiträume gemittelte Meeresoberfläche. Sie richtet sich in erster Näherung nach dem Erdschwerefeld, d.h. senkrecht zur Lotrichtung aus, fällt jedoch nicht völlig mit einer Äquipotentialfläche des Erdschwerefeldes, bzw. dem Geoid zusammen. Durch stationäre Strömungssysteme bildet sich zusätzlich eine permanente Meerestopographie von 1-2 m aus. Schließlich unterliegt der mittlere Meeresspiegel einer ständigen Deformation von ca. 0,1 - 0,2 m durch die permanente Tide von Sonne und Mond. Der mittlere Meeresspiegel wird beschrieben durch Meereshöhen (sea heights), die als Abweichungen von einem mittleren Erdellipsoid ähnliche Beträge besitzen wie die Geoidundulationen. Die genaue Kartierung des Mittleren Meeresspiegels ist durch Satellitenaltimetrie möglich. Durch den dominanten Einfluss des Erdschwerefeldes und die unregelmäßige Verteilung der Erdmassen bilden sich im mittleren Meeresspiegel tektonisch-morphologische Strukturen wie Tiefseerinnen, Bruchzonen und unterseeische Berge ab.

Die Schwerkraft ist mit Abstand der wichtigste Einflussfaktor auf die Meereshöhe, er kann bis zu 150 m betragen. Alle anderen Faktoren tragen zusammen genommen weniger als 5 m bei.

Während die globale Mitteltemperatur in den letzten Dekaden in einer Geschwindigkeit zugenommen hat, die gut mit den Projektionen des Weltklimarats (IPCC) übereinstimmt, ist der Meeresspiegel schneller angestiegen als vorhergesagt. Wie eine neue Studie zeigt, steigen die Ozeane 60 Prozent schneller als nach der mittleren Prognose des Weltklimarats in seinen beiden letzten Sachstandsberichten. Die Forscher verglichen diese früheren Vorhersagen mit Satellitenmessungen des Meeresspiegelanstiegs. Satelliten haben global eine deutlich bessere Abdeckung als Pegelstationen und können durch die Nutzung von Radarwellen und ihrer Reflektion von der Meeresoberfläche den Anstieg exakt messen. Während der IPCC einen Meeresspiegelanstieg mit 2 mm pro Jahr ab dem Jahr 1990 prognostizierte, zeichneten Satellitendaten einen Anstieg von 3,2 mm pro Jahr auf. Dass nur ein vorübergehender Eisverlust von den Eisschilden Grönlands oder der Antarktis oder andere interne Schwankungen im Klimasystem für die erhöhte Geschwindigkeit des Meeresspiegelanstiegs verantwortlich sind, ist der Studie zufolge unwahrscheinlich. Die Anstiegsrate des Meeresspiegels korreliert eng mit der Zunahme der globalen Mitteltemperatur.

Die folgende Abbildung zeigt Änderungen der durchschnittlichen globalen Meeresspiegelhöhe auf der Grundlage von Satelliten-Messungen (Topex/Poseidon und Jason-1 sowie Jason-2) zwischen 1992 bis 2012. Die Daten wurden gemittelt, um langzeitige Änderungen des Meeresspiegels zu berücksichtigen. Die durchschnittliche jährliche Erhöhung des Meeresspiegels in diesem Zeitrahmen (blaue Linie) beträgt 3,2 mm pro Jahr. Die Einliegekarte zeigt Änderungen der Wassermassenverteilung der Erde von Anfang 2010 bis Mitte 2011. Blaue Farben stehen für die Zunahme der Wassermassen über den Kontinenten.

707628main_pia16294-946 Globaler Meerespiegel

Die Abbildung zeigt Änderungen der durchschnittlichen globalen Meeresspiegelhöhe auf der Grundlage von Satelliten-Messungen (Topex/Poseidon und Jason-1 sowie Jason-2) zwischen 1992 bis 2012.

Der größte Teil der Absenkung des Meeresspiegels in den Jahren 2010-11 (roter Kreis) ist zurückzuführen auf den Massentransport von den Ozeanen auf die Kontinente, vorrangig Australien, nördliches Südamerika und Südostasien (blaue Pfeile). Während der Ozean Wasser ‚verlor‘, erfuhren die Kontinente einen Zugewinn, verursacht durch verstärkte Niederschläge im Zusammenhang mit dem La Niña-Ereignis 2010/2011. Bis zur Mitte des Jahres 2012 hatte sich das globale Niveau des Meeresspiegels erholt, und zwar um mehr als die 5 mm, die er 2010/2011 verloren hatte.

Quelle: NASA

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