Lexikon der Fernerkundung

CryoSat I / II

CryoSat-II ist ein Satellit zur Vermessung der terrestrischen und marinen Eisdicken in Arktis und Antarktis, der damit wichtige Daten für die Klimaforschung liefert. Sein Vorgänger CryoSat-I, der erste Satellit des ESA-Programms Living Planet sollte im Rahmen der Earth Explorer Gelegenheitsmissionen im Oktober 2005 mit einer Rockot-Trägerrakete vom russischen Weltraumbahnhof Plesetzk gestartet werden. Die Mission schlug wegen eines Programmierfehlers der Trägerrakete fehl. Der Start von CryoSat-II erfolgte im April 2010 mit einer Dnepr-Trägerrakete (Konversionsrakete SS-18 „Satan") vom Kosmodrom Baikonur (Kasachstan).

Die bedeutendste Auswirkung einer Klimaveränderung könnte eine Zu- oder Abnahme der Eismassen der Erde sein. Diese ist jedoch schwer zu beobachten, da bislang nur die Fläche des Eises von Satelliten bestimmt werden konnten, nicht jedoch seine Dicke bzw. das Volumen. Mit CryoSat-II kann man erstmals Veränderungen der Dicke des Eises bzw. von dessen Massenbilanzen beobachten. Deshalb kommt den Polargebieten eine wesentliche Rolle beim Verständnis und der Beobachtung von Klimaschwankungen zu. Mit Hilfe der Radar-Interferometrie lässt sich auch die Fließgeschwindigkeit des Eises exakt ermitteln. Dabei werden zwei Radarbilder zu unterschiedlichen Zeiten aufgenommen und anschließend elektronisch überlagert. Als Ergebnis erhält man dann die Fließgeschwindigkeit des Eises.

Auch ist es mit CryoSat möglich, im Gegensatz zu den beendeten Missionen ERS 1/2 (Beobachtungsfeld nur bis je 81° N/S), fast die kompletten Polarregionen zu dokumentieren (Beobachtungsfeld bis je 88° N/S).

Wesentliches Ziel der Mission ist die Bestimmung der Massenbilanz in der Kryosphäre im Hinblick auf erwartete Veränderungen durch die globale Klimaerwärmung. Dieses Ziel umfasst insbesondere die Bestimmung der saisonalen und interannualen Variabilität sowie regionaler Trends der Dicke und Ausdehnung mehrjährigen arktischen Meereises, sowie die Verbesserung von Abschätzungen über den Beitrag der antarktischen und grönländischen Eisschilde zu globalen Meeresspiegelschwankungen.

Der Eissatellit CryoSat Der Eissatellit CryoSat

Die wichtigsten Komponenten von CryoSat:

  1. Radiator - ein hitzeabstrahlendes Paneel, an der Spitze der nasenartigen Struktur, die die SIRAL-Elektronik unter den Sonnenkollektoren beinhaltet
  2. Star Tracker - die drei Exemplare sind direkt auf dem Antennenträger montiert
  3. Antennen Bodenplatte
  4. SIRAL Antennen - das Herzstück von CryoSat, nach vorne durch eine radardurchlässige Wärmeisolationsfolie geschützt
  5. Laser Retroreflector - Positionsbestimmung durch die Reflexion von über Bodenstationen ausgesandten Laserpulsen
  6. DORIS Antenne - Orbitbestimmung durch den Empfang von Funksignalen aus einem globalen Netz von Bodensendern
  7. X-Band Antenne - Datendownlink zur Bodenstation in Kiruna (Nordschweden), aktiv sobald der Satellit über dem Horizont ist
  8. S-Band Antenne - Kommunikation zu Status, Monitoring, Befehlsempfang
Quelle: CryoSat Projektbüro / ESA

Die Interpretation der CryoSat-Messungen wird jedoch dadurch erschwert, dass sich Massenverschiebungen des Eises auch durch die Drift des Meereises und das Fliessen der Gletscher ergeben können. Somit ist eine Dickenabnahme des Eises nicht grundsätzlich mit Schmelzen gleichzusetzen.

Drei Aspekte besitzen eine besondere Bedeutung, sie reagieren empfindlich selbst auf geringe Veränderungen:

CryoSat umkreist die Erde in 720 km Höhe mit 92° Neigung auf einem nicht-sonnensynchronen Orbit. Der Wiederholzyklus beträgt 369 Tage. Der Satellit arbeitet mit dem SAR/interferometrischen Radaraltimeter SIRAL (horizontale Auflösung ca. 300 m, vertikale Auflösung 1 bis 3 cm), ein Instrument das als erstes seiner Art speziell für die Eisbeobachtung entwickelt wurde. Im Gegensatz zu älteren Radarsatelliten wie z.B. ERS-1 und -2, verfügt CryoSat über zwei Radarantennen. Damit kann die Erdoberfläche räumlich vermessen werden. Das Prinzip ist vergleichbar der Methode, die bei der SRTM-Mission angewandt wurde. Es ermöglicht Höhenmessungen bis zu einer Genauigkeit von 1-3 cm. Dazu sendet ein Radar pro Sekunde 20.000 Pulse aus und empfängt die vom Boden zurückgeworfenen Echos. Aus der Laufzeit der Signale lässt sich die Entfernung zur Oberfläche bestimmen.

Voraussetzung für die Präzisionsmessungen ist die zentimetergenaue Kenntnis der Orbithöhe über der Erdoberfläche. In CryoSat ist dazu das französische DORIS-System eingebaut. Die Außenseite des Satelliten trägt außerdem einen Laserreflektor (LRR). Ähnlich wie beim Radarstrahl wird die Laufzeit eines von der Erde gesendeten und vom Reflektor zurückgeworfenen Laserpulses gemessen und daraus die Bahnhöhe ermittelt.

Dank Radar kann CryoSats Schlüsselinstrument zu jeder Tages- und Jahreszeit Daten liefern, rund um die Uhr. Weder Wolken noch ungünstige Lichtverhältnisse stören das Instrument.

Messung des Freibords von Meereis

CryoSat ist in der Lage, mit seinem empfindlichen Höhenmesser den Freibord (die Höhe, die über das Wasser hinausragt) von schwimmendem Meereis zu messen. Aus dem Freibord kann die Eisdicke abgeschätzt werden.

Der CryoSat-Höhenmesser sendet einen Impuls-Burst in einem Intervall von nur etwa 50 Mikrosekunden. Die zurückkehrenden Echos werden korreliert, und durch die gemeinsame Behandlung des gesamten Bursts kann der Datenprozessor das Echo in Streifen aufteilen, die über die Spur angeordnet sind, indem er die durch den Doppler-Effekt verursachten leichten Frequenzverschiebungen in den vor- und rückwärts gerichteten Teilen des Strahls ausnutzt. (vgl. Abb. unten)

Jeder Streifen ist etwa 250 m breit und der Abstand zwischen den Bursts ist so angeordnet, dass sich der Satellit jedes Mal um 250 m vorwärts bewegt. Die durch aufeinanderfolgende Bursts festgelegten Streifen können daher zur Reduzierung des Rauschens übereinander gelegt und gemittelt werden. Diese Betriebsart wird als Synthetic Aperture Radar - oder SAR - Modus bezeichnet.

Um den Einfallswinkel zu messen, empfängt eine zweite Antenne gleichzeitig das Radarecho. Wenn das Echo von einem Punkt kommt, der nicht direkt unter dem Satelliten liegt, gibt es einen Unterschied in der Weglänge der Radarwelle, die gemessen wird. Die einfache Geometrie liefert dann den Winkel zwischen der "Grundlinie", die die Antennen verbindet, und der Echorichtung.

Zusätzlich zum Höhenmesser ist die Kenntnis der genauen Ausrichtung der Grundlinie der beiden Empfangsantennen unerlässlich. CryoSat misst diese Grundlinienorientierung unter Verwendung der ältesten und genauesten Referenz: der Position der Sterne am Himmel.

Drei auf der Antennenträgerstruktur montierte Sternen-Tracker nehmen jeweils fünf Bilder pro Sekunde auf. Die Bilder werden von den eingebauten Computern der Star Tracker analysiert und mit einem Katalog von Sternpositionen verglichen.

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Prinzipskizze der Messung des Freibordes von Meereis

Der CryoSat-Höhenmesser sendet einen Impulssatz in einem Intervall von etwa 50 Mikrosekunden. Die zurückkehrenden Echos sind korreliert, und indem der Datenprozessor den gesamten Burst zusammen behandelt, kann er das Echo in Streifen trennen, die quer über die Spur angeordnet sind, indem er die leichten Frequenzverschiebungen ausnutzt, die durch den Doppler-Effekt in den vorwärts- und rückwärtsgerichteten Teilen des Strahls verursacht werden.

Quelle: ESA

CryoSat-II, an dessen Bau 31 Unternehmen aus 17 Ländern beteiligt waren, wurde Anfang September 2008 bei Astrium (heute Airbus Defence & Space) in Immenstaad am Bodensee fertiggestellt und zu mehrmonatigen Tests, wie auch schon bei CryoSat-I geschehen, an die IABG in Ottobrunn übergeben. CryoSat wurde für seine Neuauflage konsequent weiter entwickelt, das operative Handling verbessert und essenzielle Komponenten des Radars, dem Hauptforschungsinstrument, redundant ausgelegt. Die Mission war zunächst auf drei Jahre ausgelegt, sie wurde aber wegen des guten Zustands des Satelliten und der hohen Qualität der gewonnen Daten wiederholt verlängert und ist 2020 noch immer aktiv. Daten von CryoSat sind z.B. über das 1913 eingerichtete Portal meereisportal.de des AWI erhältlich.

cryosat_antarctic3 CryoSat - Antarktischer Eisschild

Zum ersten Mal sind Daten der CryoSat-Mission dazu verwendet worden, die Höhe des antarktischen Eisschildes zu kartieren. Die vorläufigen Daten, die für die nebenstehende Grafik verwendet wurden, sind vom Februar und März 2011. Für Detailstudien müssen noch weitere Daten zusammengetragen werden.
Da CryoSat näher an den Polen vorbeifliegt als andere Erdbeobachtungsmissionen, kann er auch mehr polnahe Daten sammeln. Der äußere weiße Kreis markiert die Grenzen von früheren Missionen und der Kreis zeigt, dass CryoSat Daten bis zu einer Breite von 88° sammeln kann.
Bereits 2014 zeigten Beobachtungsdaten von CryoSat über drei Jahre hinweg, dass der antarktische Eisschild jedes Jahr 159 Mrd. Tonnen Eis verliert. Diese Eisverluste tragen mit 0,45 mm/a zum Meeresspiegelanstieg bei.

Quelle: ESA

Datenabruf

Über die neue cs2eo-Website besteht ab 2022 eine All-in-One-Ressource für alle, die mit CryoSat-Daten arbeiten. Damit wird es einfacher und schneller, mit kombinierten CryoSat- und ICESat-Altimetriedaten zu arbeiten.

Das neue und kostenlose Portal (cs2eo.org) dient dem Erkunden, Kombinieren und Herunterladen von luft- und weltraumgestützten Altimetriedaten von CryoSat-2, ICESat-2, CryoVEx, IceBridge und CryoTEMPO-EOLIS. Es wurde von Earthwave und der University of Edinburgh School of Geosciences im Rahmen des CryoTEMPO-Programms der ESA entwickelt.

Weitere Informationen:


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