Lexikon der Fernerkundung

Biomasse

Mit dem Begriff Biomasse wird die Stoffmasse von Lebewesen oder deren Körperteile bezeichnet. Als Menge dieser Stoffgemische gilt ihre Masse (Einheit: Kilogramm). In der Ökologie wird die Biomasse häufig nur für ausgesuchte, räumlich klar umrissene Ökosysteme oder nur für bestimmte, einzelne Populationen erfasst. Gelegentlich gibt es zudem Versuche, die Biomasse der gesamten Ökosphäre abzuschätzen. In der Ökologie existiert kein einheitlicher Biomasse-Begriff. In der Energietechnik bezieht sich der Begriff nur auf energetisch nutzbare Biomasse.

Trotz dieser definitorischen Unsicherheiten ist z.B. die Bestimmung der oberirdischen Biomasse ein wichtiger Forschungsschwerpunkt, da ihr insbesondere im Hinblick auf den aktuellen globalen Wandel eine große Bedeutung zukommt. Da Vegetation in der Lage ist, Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufzunehmen und als Biomasse zu speichern, spielt sie eine wesentliche Rolle im Kohlenstoffkreislauf und ist ein wichtiger Bestandteil verschiedener Strategien zur Reduzierung des atmosphärischen CO2-Gehalts.

Zur Bestimmung der Biomasse können Daten verschiedener Fernerkundungssatelliten herangezogen werden. Die Wahl der Datenbasis wird entscheidend beeinflusst durch den geünschten Maßstab der Kartierung, die benötigte Genauigkeit, die Kosten, die Verfügbarkeit historischer Datensätze sowie die Möglichkeit der Aufnahme von Zeitserien, die ein kontinuierliches Monitoring ermöglichen.

Erste Untersuchungen zur möglichen Ableitung oberirdischer Biomasse aus Fernerkundungsdaten gehen auf die 1980er Jahre zurück. Dies geschah vornehmlich mit optischen Sensoren wie dem NOAA-AVHRR und dem Landsat-TM. Bei der optischen Fernerkundung wird das von der Sonne emittierte und danach an der Erdoberfläche reflektierte Licht im sichtbaren und im nahen Infrarot-Bereich empfangen.

Bei der Ableitung von oberirdischer Biomasse auf der Basis von optischen Fernerkundungsdaten werden meist Vegetationsindizes eingesetzt, die Informationen über die Struktur, den Zustand und die phänologische Aktivität der Vegetation enthalten. Der am weitesten verbreitete Vegetationsindex ist der NDVI (Normalized Difference Vegetation Index). Weitere häufig verwendete Indizes sind der EVI (Enhanced Vegetation Index) sowie der SAVI (Soil Adjusted Vegetation Index), der eine Bodenbereinigung des Signals beinhaltet.

vegetationsindizes Beispiele für Vegetationsindizes

NDVI (Normalized Difference Vegetation Index) - EVI (Enhanced Vegetation Index) - SAVI (Soil Adjusted Vegetation Index)

Legende:

NIR - naher Infrarot-Kanal

Rot - roter Kanal

Blau - blauer Kanal

C1, C2 - Korrekturterme für Aerosole für verschiedene Kanäle

L - Korrekturterm für Bodenbedeckung

Quelle: Ley et al. 2011

Vegetationsindizes hängen von verschiedenen Parametern ab, z.B. dem Bedeckungsgrad und dem Blattflächenindex (LAI, Leaf Area Index) und erlauben somit eine indirekte Bestimmung der Biomasse.

Eine andere, relativ einfache, indirekte Methode zur Biomasse-Abschätzung besteht in der Stratifizierung der Erdoberfläche in weitgehend homogene Vegetationsklassen, denen dann eine durchschnittliche Biomassedichte (in kg/ha) zugewiesen wird. Mögliche Attribute zur Klassifizierung, die aus Fernerkundungsdaten abgeleitet werden können, sind Bedeckungsgrad, Kronenschlussgrad, Vegetationsart (Genus), Hauptspezies, Wuchsform (Baum, Strauch usw.) sowie Höhe.

Eine weitere Möglichkeit, oberirdische Biomasse mit Fernerkundungsdaten zu bestimmen, ist die Verwendung von Radarsystemen. Diese aktiven Systeme senden und empfangen elektromagnetische Strahlung und werden nach verschiedenen Wellenlängen unterschieden, die eine unterschiedliche Eindringtiefe in die Vegetation aufweisen. Kurzwellige Strahlung, wie beim X-Band- und beim C-Band-Radar, wird hauptsächlich an Blättern und dünnen Ästen der oberen Kronenschicht reflektiert, während Signale des langwelligen L-Band- oder sogar P-Band-Radars kleinere Vegegtationsbestandteile durchdringen und von dicken Ästen und Stämmen reflektiert werden. Diese wellenlängenabhängige Empfindlichkeit für unterschiedliche Komponenten der oberirdischen Biomasse kann auch verwendet werden, um gezielt Blatt- oder Stammbiomasse zu bestimmen. Wie auch bei den optischen Daten kommen überwiegend Regressionsansätze zum Einsatz, die den Zusammenhang zwischen der im Feld gemessenen Biomasse und der gemessenen Rückstreuung beschreiben.

Auch die Radarinterferometrie (InSAR) kann zur Biomassebestimmung eingesetzt werden. Bei diesem Verfahren werden Vegetationshöhen bestimmt, die als Proxy für Biomasse verwendet werden. Für sehr dichte und hohe Vegetation mit hohen Biomassewerten kann es dazu kommen, dass eine weitere Zunahme der Biomasse nicht mehr von Satelliten detektiert werden kann. Man spricht dann von einer Sättigung des Signals. Eine Steigerung der Sensitivität von Radardaten für die Bestimmung von Biomasse kann durch die Verwendung einer Kombination von interferometrischen und polarimetrischen SAR-Daten (Pol-InSAR) erreicht werden.

LIDAR-Systeme werden ebenfalls für die Biomassebestimmung eingesetzt, insbesondere für die von Wäldern. Hierbei wird, ähnlich wie bei den Radarsystemen, aktiv Strahlung emittiert und die rückgestreute Energie gemessen. Bisher sind vor allem flugzeuggetragene Sensoren für die Biomasse-Kartierung zum Einsatz gekommen.


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