Lexikon der Fernerkundung

Verkehr und Fernerkundung

Mittels Fernerkundungstechnologie und Erdbeobachtungsdaten lassen sich vielfältige Erkenntnisse für den Verkehrssektor sowohl auf Land, im Wasser und in der Luft erschließen. Gleichzeitig können Verkehrsträger selbst Träger von Fernerkundungssensoren sein und damit Lieferanten von Fernerkundungsdaten.

Beispielsweise können aktuelle Informationen zum Zustand der Verkehrsinfrastruktur (Zustand von Autobahnbrücken, Stabilität von Verkehrstrassen und ihrer Umgebung) abgeleitet, sichere Schiffsrouten ausgewiesen und der Einfluss von Verkehrsemissionen auf die Luftqualität berechnet werden. So erfüllt die Fernerkundung wichtige Funktionen beim Verkehrsmonitoring (Normal-/Katastrophenfall), Verkehrsmanagement, der Verkehrsplanung, beim Monitoring der verkehrsbedingten Umweltbelastungen, beim autonomen Fahren (hochgenaue Kartengrundlagen, Validierung von Sensoren und Daten) u.w.

Die verschiedenen Aspekte können hier höchstens gestreift werden und erheben angesichts der rasanten Entwicklung auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Seeverkehr

Derzeit erfolgen etwa 90 Prozent des Welthandels auf dem Seeweg. Von etwa einem Drittel der weltweiten Schiffsbewegungen liegt der Ziel- oder Abfahrtshafen in der EU. Nord- und Ostsee gehören zu den am häufigsten und dichtesten befahrenen Meeren der Welt. Zwar ist das Schiff bezogen auf die Transportleistung noch immer der effizienteste Verkehrsträger, gleichwohl hat aber auch die Schifffahrt Auswirkungen auf Umwelt, Klima und Gesundheit. Deswegen gibt es zahlreiche Aktivitäten besonders auf europäischer und internationaler Ebene, um diesen Auswirkungen zu begegnen. Inzwischen können erste Ergebnisse dieser Bemühungen registriert werden.

Das Internationale Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL 73/78) sieht eine stufenweise Reduzierung des Schwefelgehalts von Schiffskraftstoffen von 3,5 Prozent (geltend seit 2012) auf 0,5 Prozent ab dem 1. Januar 2020 vor. In den Überwachungsgebieten der Schwefelemissionen(SOx Emission Control Areas, SECA) auf Nord- und Ostsee sowie entlang der nordamerikanischen Küste und der US-Karibik geht die Reduzierung weiter: Seit 2015 gilt dort der weltweit strengste Grenzwert von 0,10 Prozent. Dies ist auch deshalb notwendig, weil gerade in Hafengebieten die Schiffe in hohem Maße zur Belastung mit Feinstaub, Schwefeloxiden (SOx) und Stickoxiden (NOx) beitragen.

In Deutschland befasst sich das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) mit den meereskundlichen Dienste und der Überwachung der Meeresumwelt. Für das BSH sind flächendeckende Satellitendaten inzwischen unverzichtbar geworden. Sie ergänzen Messdaten, die das Amt durch Forschungsfahrten und andere punktartige In situ-Messungen gewinnt.

Das BSH empfängt täglich Daten unterschiedlicher europäischer und amerikanischer Satelliten. Hierzu zählen die polarumlaufenden NOAA-Satelliten, die europäischen Wettersatelliten METOP oder die Sentinel-Satelliten des europäischen Copernicus-Programms. Die Satelliten liefern mehrmals täglich Aufnahmen der Erdoberfläche im sichtbaren und thermisch-infraroten Spektralbereich. Da die optischen NOAA- und METOP-Satelliten bei Bewölkung keine Oberflächenaufnahmen liefern können, werden vom BSH zusätzlich Radardaten genutzt, die von der ESA zur Verfügung gestellt werden.

Die Daten werden im BSH weitgehend automatisch aufbereitet und archiviert und stehen binnen einer Stunde Nutzern beispielsweise als Eis- und Oberflächentemperaturkarten zur Verfügung. In den Karten werden überwiegend mehrere Überflüge der Satelliten zusammengefasst, wodurch Datenlücken auf Grund von Bewölkung weitgehend geschlossen werden können.

Zu den wichtigsten Produkten gehören Karten der Oberflächentemperatur (SST) von Nord- und Ostsee. Die Kenntnis der Oberflächentemperatur ist etwa für die Seenotrettung, die Schifffahrt, die Wettervorhersage oder den Tourismus von großer Bedeutung. Die Meerestemperatur ist zudem einer der wichtigsten Parameter zur Erfassung langfristiger regionaler und globaler Klimatrends. Im Daten-Bereich der Fernerkundung werden Tages-, Wochen- und Monatsmittel dargestellt. Die monatlichen Angaben enthalten zudem statistische Informationen in Form von Balkendiagrammen der Mittelwerte, der Rangordnung oder der Differenzen vom langjährigen Mittel. Hier finden Sie weitere Informationen über die Mittelwerte der Wasseroberflächentemperatur aller Monate und aller Jahre.

Für die Beurteilung des Umweltzustandes der Meere sind neben der Wassertemperatur auch andere mit Satelliten gemessene Parameter wie die Chlorophyllkonzentration von Bedeutung. Dem BSH werden hierzu täglich Daten verschiedener Satelliten über den Service-Provider Brockmann Consult GmbH zur Verfügung gestellt. Dargestellt werden Karten der Chlorophyllverteilung in der Nordsee und Ostsee sowie Karten der Schwebstoffverteilung in der Nordsee und Ostsee jeweils als Wochenmittel.

Landverkehr

Beim DLR werden im Bereich der Flugzeug/Helikopter/UAV-getragenen Sensorsysteme vollständige Systeme – von der Hardware bis zu Software – entwickelt und betrieben. Flugzeuggetragene optische Kameras mit ihren hochratigen Serienbildern ermöglichen Verkehrsdaten großflächig, zielgerichtet und zeitnah abzuleiten. Diese Datenquelle ist v. a. bei Katastrophen und Großereignissen eine ideale Ergänzung zu bereits vorhandenen Verkehrsdatenquellen und unterstützt Rettungskräfte und BOS (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) in ihren Entscheidungsprozessen.

Die Entwicklung geht von klassischen maschinellen Lernalgorithmen hin zu Deep Learning womit die automatisierte Extraktion und Verfolgung von Objekten sowie die Erstellung von HighDefinition(HD)-Roadmaps für automatisiertes Fahren und für die Überwachung der statischen und dynamischen Umgebung automatisiert fahrender Fahrzeuge verbessert wird.

Im Bereich von Satellitenmissionen werden beim DLR operationelle Prozessierungssysteme für Bodensegmente entwickelt und bereitgestellt. Aktuell werden Prozessketten für die deutsche hyperspektrale Mission EnMAP (Environmental Mapping and Analysis Program) entwickelt, sowie für die amerikanisch-deutsche hyperspektrale Mission DESIS (DLR Earth Sensing Imaging Spectrometer), installiert auf der ISS (International Space Station), eingesetzt.

Die Abteilung Photogrammetrie und Bildanalyse am IMF konzentriert sich auf die Entwicklung von operationellen Bildprozessoren, die geometrische (Photogrammetrie) und semantische (Bildanalyse) Informationen aus digitalen Fernerkundungsbildern von Satelliten, Flugzeugen und UAVs ableiten. Ein wichtiges Ziel ist es, der wachsenden Nutzergemeinde standardisierte und qualitativ hochwertige Daten zur Verfügung zu stellen.

Luftverkehr

Das wohl bedeutendste Fernerkundungsverfahren im Luftverkehr ist die Radartechnik. Radargeräte zählen zu den aktiven Fernerkundungssystemen, weil sie aktiv Strahlung aussenden. Sie sind deshalb nicht auf die Sonne als Beleuchtungsquelle angewiesen. Mikrowellen breiten sich unabhängig von Dunkelheit aus und können Nebel oder Wolken fast ungehindert durchdringen, daher kann ein Radargerät die Position von Flugzeugen, Schiffen oder Hindernissen auch dann bestimmen, wenn diese Objekte aufgrund schlechtem Wetter oder Dunkelheit mit optischen Methoden nicht sichtbar sind.

Mittels Radar können Informationen bezüglich Entfernung, Richtung und oft auch Höhe, Kurs und Geschwindigkeit von (weit entfernten) Objekten gewonnen werden. Die Position des Objektes kann bereits mit den Werten der Entfernung und der Richtung eindeutig ermittelt werden.

Die Minimierung der Klimawirkungen des Luftverkehrs zählt zu den schwierigsten Herausforderungen der Flugzeugindustrie und des Luftverkehrsmanagements. Sie erfordert eine zuverlässige Bewertung der durch Flugzeuge hervorgerufenen Klimaänderungen. Viele der grundlegenden physikalischen und chemischen Prozesse sind seit langem bekannt. Erhebliche wissenschaftliche Unsicherheiten bestehen jedoch in der Quantifizierung der einzelnen Effekte. Daher ist es auch notwendig Minimierungsstrategien vor dem Hintergrund dieser Unsicherheiten zu analysieren.

Parallel dazu werden die noch bestehenden erheblichen Unsicherheiten in der Bewertung des Klimaeinflusses schrittweise vermindert. Bei der Bewertung des Klimaeinflusses des (globalen) Luftverkehrs findet z. B. beim DLR eine Kombination Anwendung aus skalenübergreifenden Modellrechnungen, flugzeuggetragenen Messungen mit den DLR-eigenen Forschungsflugzeugen Falcon und HALO und mit satellitengestützten Beobachtungen.

Schwefeldioxid (SO2) ist ein hervorragender Indikator für vulkanische Aktivität. Satellitenbeobachtungen von vulkanischem SO2 werden zur Erhöhung der Flugsicherheit sowie zur Frühwarnung bei vulkanischer Aktivität verwendet. Das Retrieval von SO2 für das Satelliteninstrument GOME-2 wird am DLR Oberpfaffenhofen am Institut für Methodik der Fernerkundung (IMF) und am Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) in naher Echtzeit durchgeführt, d.h. die Daten stehen den Nutzern etwa 2 Stunden nach der Messung zur Verfügung. Am 22. Mai 2011 beobachtete GOME-2 die SO2-Wolke der jüngsten Eruption des Grímsvötn, Island. Die Eruption führte zu einer teilweisen Sperrung des Luftraums über Schottland, Irland und Nordeuropa. Wie von Ausbreitungsmodellen vorhergesagt, erreichte die Aschewolke am Abend des 24. Mai Norddeutschland und führte zu Beeinträchtigungen des Luftverkehrs.

Weitere Informationen:


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