Lexikon der Fernerkundung

Ozeanwinde und Fernerkundung

Meereswind ist definiert als die Bewegung der Atmosphäre relativ zur Meeresoberfläche. Normalerweise werden Ozeanwinde sehr nahe an der Meeresoberfläche von Bojen, Plattformen und Schiffen gemessen. Die gebräuchlichste Bezugshöhe für oberflächennahe Ozeanwindmessungen ist 10 Meter über dem Meeresspiegel. In jüngster Zeit hat die Weiterentwicklung der Satellitenfernerkundung hochauflösende oberflächennahe Ozeanwindmessungen aus dem Weltraum mit passiven und aktiven Instrumenten ermöglicht. Heute kann die Kombination aller verfügbaren Satellitenwindmessungen eine globale Abdeckung der eisfreien Ozeane zu mehreren Zeiten pro Tag liefern.

Techniken der Windmessung:

Der Ozeanwind wird entweder mit In-situ-Instrumenten oder mit Fernerkundungsinstrumenten und -techniken gemessen. In-situ-Windmessungen können von Bojen, Schiffen oder Plattformen aus erfolgen. Das gebräuchlichste Instrument für In-situ-Windmessungen ist das mechanische Anemometer, das den Windwiderstand nutzt, um eine sehr kleine Turbine anzutreiben und so die Windgeschwindigkeit zu bestimmen; diese Anemometer verfügen auch über eine Windfahne, die der Heckflosse eines Flugzeugs ähnelt und dazu beiträgt, dass das Anemometer immer in die Windrichtung zeigt, so dass es sowohl die Windgeschwindigkeit als auch die Windrichtung messen kann.

Der Wind kann auch aus der Ferne gemessen werden, sowohl mit bodengestützten als auch mit luftgestützten Instrumenten. Das bodengestützte Doppler-Radar kann den Ozeanwind anhand der ein- und ausgehenden Radialgeschwindigkeiten von Niederschlag aus Stürmen in unmittelbarer Nähe der Radarstation messen; die Reichweite ist aufgrund der Signaldämpfung in der Regel auf mehrere hundert Kilometer begrenzt.

Luftgestützte oder satellitengestützte Messungen des Ozeanwindes können sowohl mit aktiven (Radar-Scatterometer) als auch mit passiven (Radiometer) Mikrowelleninstrumenten durchgeführt werden, wobei eine globale Abdeckung über den eisfreien Ozeanen mehrmals am Tag erreicht wird. Das Mikrowellenfrequenzband wird aufgrund seiner Fähigkeit, Wolken und Niederschlag zu durchdringen, und seiner Empfindlichkeit gegenüber der Rauigkeit der Meeresoberfläche bevorzugt. Die Meeresoberfläche reagiert schnell auf die Bewegung der darüber befindlichen Luft, was zu einem ausgeprägten Rauigkeitsmuster führt, das von der relativen Geschwindigkeit und Richtung des Windes in Bezug auf die Meeresoberfläche abhängt. Die Rauheit der Meeresoberfläche führt zu einer spezifischen "Helligkeit", die nur mit passiven Mikrowellenradiometern beobachtet werden kann. Aktive Mikrowelleninstrumente sind auch in der Lage, die Windrichtung zu bestimmen. Mikrowellenmessungen sind in Regionen mit starkem Regen und in Küstennähe ungenau.

Mit der richtigen Kombination aus spezifischen Mikrowellenwellenlängen und Verarbeitungsalgorithmen kann die Helligkeit der Meeresoberfläche genau in eine oberflächennahe Windgeschwindigkeit übersetzt werden.

Spezifische Mikrowellenwellenlängen sind empfindlich für die so genannte Bragg-Streuung, die ein Merkmal der zentimetergroßen Meeresoberflächenwellen ist, die als Kapillarwellen bekannt sind. Kapillarwellen werden direkt durch Veränderungen der Winde an der Oberfläche beeinflusst, so dass speziell abgestimmte Bordradare diese Veränderungen beobachten können. Diese luftgestützten Radargeräte senden Mikrowellenimpulse an die Meeresoberfläche, die einen Teil der reflektierten Energie sofort zum Radargerät zurückstreut. Sobald der Radarquerschnitt normalisiert ist, kann die oberflächennahe Windgeschwindigkeit als Funktion der rückgestreuten Energie berechnet werden. Im Gegensatz zu passiven Mikrowellenradiometern kann das aktive Radarsystem Messungen aus verschiedenen Azimutwinkeln kombinieren, um die ungefähre Richtung des Windes zu bestimmen. Aufgrund der Abhängigkeit vom Prinzip der Bragg-Streuung werden diese Radartypen unter der Bezeichnung Scatterometer zusammengefasst.

Die gegenwärtigen meteorologischen Modelle scheitern oft bei der Vorhersage der Entwicklung von Stürmen bei Extremwetterereignissen. Das liegt an der mangelnden Verfügbarkeit zeitlich und räumlich hochaufgelöster Beobachtungsdaten für die operationellen Datenassimilationssysteme und auch an fehlenden Echtzeitdaten aus dem inneren Kern von Wirbelstürmen. Mit der GNSS-Scatterometrie, einem Teilgebiet der GNSS-Reflektometrie (GNSS-R), kann diese Lücke im gegenwärtigen Beobachtungssystem potentiell geschlossen werden. Im Gegensatz zu anderen satellitenbasierten Winddaten (Scatterometern) sind die GNSS-Reflektometriedaten kaum von dem starkem Niederschlag beeinflusst, der parallel zu den Wirbelstürmen auftritt.

Nutzen der Messungen der Ozeanwinde:

Satelliten haben die beispiellose Möglichkeit geschaffen, den oberflächennahen Ozeanwind auf nahezu globaler Ebene (d. h. mit Ausnahmen über Eis und Land) zu beobachten. Dies hat entscheidend dazu beigetragen, die Klima- und Wettervorhersagen zu verbessern und unser Verständnis der Physik und Dynamik unserer Ozeane zu vertiefen, was letztlich unsere Fähigkeit verbessert hat, die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels und von Unwettern abzuschätzen.

Im Einzelnen gab es eine Reihe von unvorhergesehenen Vorteilen, u. a.: Meeresbiologie/Fischereimanagement, Such- und Rettungseinsätze der Marine, Planung und Vorbereitung von Schifffahrtsrouten, Vorhersage tropischer/außertropischer Wirbelstürme und Abschätzung des Windenergiepotenzials, das durch künftige Windkraftanlagen im Meer nutzbar gemacht werden kann.

Darüber hinaus haben sich die Anwendungen der Mikrowellenradiometrie und der Scatterometrie auf viele interessante Bereiche ausgedehnt, wie z. B. die Überwachung unbeabsichtigter Ölverschmutzungen, die Messung des Salzgehalts der Meeresoberfläche, die Überwachung des Meereises, die Überwachung der Bodenfeuchtigkeit und die Überwachung von Frost-Tau-Zyklen an Land.

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