Lexikon der Fernerkundung

Landoberflächentemperatur

Engl. Land Surface Temperature (LST); wichtiger Parameter für eine Vielzahl von regionalklimatologischen und physisch-geographischen Fragestellungen. Die Landoberflächentemperatur wird durch die solare und langwellige Einstrahlung, die ausgestrahlte, terrestrische Infrarotstrahlung, den sensiblen und latenten Wärmefluss, sowie den Wärmefluss im Boden bestimmt. Deswegen ist die LST ein guter Indikator für das Energiegleichgewicht am Erdboden.

Die Land- oder Wasseroberflächentemperatur, gemessen vom Satelliten, ist eine sog. Strahlungstemperatur. Dabei wird die emittierte Strahlung des Bodens, der Vegetation oder einer Wasserfläche mit Hilfe von Radiometern berührungslos gemessen. Die Strahlungstemperatur ist bestimmt durch die Temperatur der Landoberfläche bzw. des Wassers und dem Emissionsvermögen (Emissivität). Die Messung der Strahlungstemperatur vom Satelliten wird aber auch noch von der Atmosphäre, insbesondere vom Wasserdampf, bestimmt.

Im Gegensatz dazu wird z.B. die Luft- oder Wassertemperatur mit Messgeräten bestimmt, die im thermischen Gleichgewicht mit der Luft bzw. dem Wasser sind. Die Landoberflächentemperatur und die Lufttemperatur sind über die Energiebilanz des Systems Boden-Atmosphäre bzw. Boden-Vegetation-Atmosphäre gekoppelt. Diese Kopplung ist der Grund, warum keine einheitliche, lineare Korrelation zwischen den beiden Größen besteht.

Alle Betrachtungen über die Größe 'Landoberflächentemperatur' erfordern eine Definition der drei Komponenten "Land", "Oberfläche" und "Temperatur". Dies scheint auf den ersten Blick trivial zu sein, im Kontext von in situ-Messungen und von Fernerkundung ist es nicht trivial:

Bereits die praktische Durchführung der Temperaturmessungen macht den Vergleich schwierig. Die typischen Fehler von Thermometer- und Radiometermessungen, wie auch das oben beschriebene Problem bei der Bestimmung der Oberfläche sind die Gründe dafür. Darüberhinaus gibt es prinzipielle Unterschiede, die in der letzten Konsequenz einen Vergleich von Temperaturen nicht gestatten, die zum einen auf thermodynamischen und zum anderen auf radiometrischen Messungen beruhen:

Weder die thermodynamische Messweise Oberflächentemperaturen zu messen, noch die radiometrische Bestimmung führen prinzipiell zu 'falschen' Temperaturen. Die Verwendung des jeweiligen Messverfahrens kann allerdings falsch sein. Zum Beispiel ist für die Bestimmung der thermischen Charakteristik einer Stadt die Fernerkundung besser geeignet. Für andere Anwendungen mag das Thermometer am Boden vorzuziehen sein.

Einsatzfelder:

Unbestritten ist aber die grundsätzliche Bedeutung der Landoberflächentemperatur für unterschiedlichste Einsatzfelder. Mit Hilfe der Temperaturinformation können thermische Belastungsgebiete in Städten oder landwirtschaftlichen Gunst- und Ungunstgebieten kartiert und ausgewiesen werden. Temperaturkarten erlauben auch die Analyse des ausgleichenden Einflusses der Vegetation auf sog. “Hot Spots” in Städten. Bislang werden die Temperaturen punktuell in ca. 2 Meter Höhe an den verschiedenen meteorologischen Stationen gemessen. In stark besiedelten Regionen ist dieses Stationsnetz relativ dicht, jedoch in den meisten ländlichen Regionen der Welt fehlen solche Daten gänzlich.

Auch werden langfristige und zuverlässige Schätzungen der LST benötigt als Eingabe für Modelle der globalen atmosphärischen Zirkulation, für numerische Wettervorhersagen, zur Erkennung von Klimaveränderungen, zur Überwachung des Vegetationszustandes, zur Erkennung von Veränderungen, die mit Desertifikationsprozessen verknüpft sind, etc. Nur satellitengestützte Strahlungsmessungen haben die zeitliche und räumliche Auflösung, die die Modelle und die Analyse der Prozesse benötigen. In den Spektralbereichen der „atmosphärischen Fenster“ wird die am Oberrand der Atmosphäre (TOA – top-of-atmosphere) gemessene Strahlung durch die von der Oberfläche emittierte Strahlung dominiert. Deshalb kann die LST aus satellitengestützten Messungen der elektromagnetischen Strahlung abgeleitet werden.

Die Fernerkundung der Oberflächentemperatur mit aus dem Weltraum betriebenen Sensoren bietet enorme Vorteile: die Messdaten werden flächendeckend, kontinuierlich und schnell verfügbar. Jedoch ist die routinemäßige Berechnung der Bodentemperaturen kein leichtes Unterfangen, da die störenden Atmosphäreneinflüsse korrigiert und der spezifische Einfluss des Emissionsvermögens der Landoberflächen abgeschätzt werden muss. In den letzten Jahren hat diese Problematik die Fernerkundung stark beschäftigt, so dass heute eine Vielzahl von Methoden zur Ableitung der Bodentemperaturen existiert.

Im DLR werden täglich AVHRR-Daten zur Bestimmung der Landoberflächentemperaturen herangezogen. Die dabei angewandte Methode beruht auf dem sogenannten “split-window” Verfahren. Hierbei werden die dicht nebeneinanderliegenden Wasserdampfabsorptionsfenster (10,5 µm; 11,5 µm) zur Korrektur des atmosphärischen Einflusses genutzt. Um die Emissionsgrade der Landoberflächen abzuschätzen, wird eine von Van de Griend & Owe (1993) vorgeschlagene empirische Methode benutzt. Diese Autoren stellten in einem aufwendigen Feldexperiment einen direkten Zusammenhang zwischen dem Emissionsgrad der Vegetation und dem Vegetationsindex (NDVI) her.

Temperaturanstieg während der Hitzewelle in Europa vom 28. Juli - 10. August 2003

Temperaturanstieg während der Hitzewelle in Europa
vom 28. Juli - 10. August 2003

Die Karten sind abgeleitet aus NOAA-AVHRR Daten.

Links: mittlere Nachttemperaturen im Zeitraum
28. Juli - 3. August 2003

Rechts: mittlere Nachttemperaturen im Zeitraum
3. August - 10. August 2003

Quelle: Bittner et al., Klimastatusbericht 2004

Die obige Abbildung zeigt in einer Gegenüberstellung den dramatischen Temperaturanstieg während der Hitzewelle in Europa vom 28. Juli - 10. August 2003. Seit 1998 werden im DLR zweimal täglich Thermalkarten von Europa erstellt. Aus den Tageswerten werden wöchentliche und monatliche Temperaturmittelwerte gerechnet.

Alle Daten sind über das Internet verfügbar (World Data Center for Remote Sensing of the Atmosphere, DLR).

Weitere Informationen:


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