Lexikon der Fernerkundung

GESTRA

Engl. Akronym für German Experimental Space Surveillance and Tracking Radar; Radarsystem zur Beobachtung und Verfolgung von Weltraumobjekten wie etwa Satelliten, Raumfahrzeugen oder Weltraumschrott im erdnahen Orbit (LEO). So ist es etwa möglich, Raumfahrtsysteme oder die Internationale Raumstation ISS durch rechtzeitige Warnung vor einer Kollision mit Schrottteilchen zu schützen. Schätzungen zufolge umkreisen derzeit bereits mehr als 128 Millionen kleinster Partikel die Erde und stellen bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 28.000 Kilometern pro Stunde eine Gefährdung für aktive Weltraumtechnologien dar.

Das GESTRA-Radar, das die größeren dieser Objekte erfassen und ihre Bahn vermessen kann, arbeitet im Mikrowellenbereich und erkundet den niedrigen Erdorbit in einer Höhe von 300 bis 3000 Kilometern - also dem Bereich, in dem sich die meisten Satelliten und die ISS befinden.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hatte im Jahr 2015 das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik (FHR) mit der Entwicklung und dem Bau eines Weltraumradars beauftragt, um Weltraummüll besser überwachen zu können. Auch angesichts der großen und noch deutlich wachsenden Zahl von Satelliten ist ein sogenanntes Weltraumlagebild immer wichtiger geworden für den Schutz und die Nachhaltigkeit von Weltraumaktivitäten.

Im September 2020 wurde GESTRA an das DLR sowie das Weltraumlagezentrum übergeben, von dem das System betrieben wird. Im November 2020 wurden damit erste Objekte im Erdorbit entdeckt. Das Radarsystem hat nach einer intensiven und erfolgreichen Test- und Verifikationsphase im Dezember 2023 mit der finalen Überprüfung begonnen. Damit ist dieses weltweit einzigartige System zur Weltraumüberwachung in seine mehrmonatige Abnahme gestartet.

Standort des Systems ist das Bundeswehrgelände Koblenz-Schmidtenhöhe. Das teilmobile Radarsystem besteht aus einem separaten Sende- und Empfangssystem in getrennten Containern und basiert auf Phased-Array-Antennen. Die Daten des Experimentalradars werden im gemeinsam vom DLR Raumfahrtmanagement und der Luftwaffe in Uedem (Niederrhein) betriebenen Weltraumlagezentrum verarbeitet. Dort entsteht ein umfangreicher Katalog, der rund um die Uhr über die 'Lage im All' und mögliche Gefahren informiert. GESTRA liefert wertvolle Daten, die zur Erstellung eines deutschen Katalogs für Weltraumschrott verwendet werden sollen. Dieser Katalog ergänzt die bereits bestehenden Kataloge der USA und der EU. Die Finanzierung des GESTRA-Betriebs erfolgt durch das Bundesministerium der Verteidigung.

GESTRA-Antenne mit 3D-Positionierer Quelle: DLR

Mit Hilfe der von GESTRA gewonnenen Radardaten soll ein unabhängiger nationaler Bahndatenkatalog erstellt werden. In diesem Verzeichnis werden alle erfassten Weltraumobjekte aufgelistet und deren Daten kontinuierlich aktualisiert. Falls ein bestimmtes Objekt im Weltraum genauer untersucht werden soll, kann dies über das Weltraumbeobachtungssystem TIRA verfolgt und abgebildet werden.

Im Rahmen des Projektes EUSST (European Space Surveillance and Tracking) soll mit Hilfe der Daten von GESTRA und weiterer Radarsysteme auch ein europäischer Bahndatenkatalog erstellt werden. Die GESTRA-Daten werden zudem für wissenschaftliche Forschungsprojekte zur Verfügung gestellt. Sie ergänzen auch den bestehenden Kataloge der USA (Space Surveillance System). Die NASA unterhält einen globalen Katalog, den Masterkatalog. In diesem sind die meisten Flugobjekte im LEO verzeichnet. Was die US-amerikanischen Satelliten angeht, so sind sie aus taktischen Gründen jedoch in den Listen meist nicht zu finden.

Deutschland möchte sich daher aus dieser bisherigen Abhängigkeit lösen. Dazu sind zwei verschiedene Radar-Systeme nötig: Eines, das einzelne Weltraumobjekte verfolgt und abbildet – das übernimmt das Weltraumbeobachtungssystem TIRA. Und ein weiteres, das die Überwachungsfunktion erfüllt, also die verschiedenen Objekte in einem großen Raumausschnitt aufspürt. Dies kann nur ein Phased-Array-Radar mit hoher Reichweite und Strahlagilität, das es jedoch vor GESTRA auf deutscher Seite nicht gab.

Eine der Besonderheiten von GESTRA liegt in der Mobilität des Systems. Es besteht aus zwei Einheiten (Sheltern) – dem Sende- sowie dem Empfangs-Shelter. Durch diese Aufteilung kann es relativ einfach per Schwertransport an verschiedene Aufstellorte verbracht werden, und es ermöglicht auch ein Netzwerk von Radarsystemen für die Weltraumüberwachung. Denn stehen die Radare beispielsweise 300 Kilometer auseinander, sehen sie Objekte aus verschiedenen Winkeln. Dies ermöglicht eine deutlich genauere Positionsbestimmung als mit einem einzigen Radar.

GESTRA erlaubt eine kontinuierliche Überwachung im großen Raum – mit ihm lassen sich die Bahndaten von vielen Objekten gleichzeitig ermitteln. Zudem können über GESTRA die Höhe der Objekte sowie deren Inklination – den Grad zwischen Erdäquator und Umlaufbahn – bestimmt werden.

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