Lexikon der Fernerkundung

Bewässerung und Fernerkundung

Bewässerung als künstliche Zufuhr von Wasser vornehmlich zum Ausgleich der für die Bodennutzung jahreszeitlich oder ganzjährig fehlenden Niederschläge, gehört mit ihren vielfältigen landschaftlichen Auswirkungen zu den markantesten anthropogenen Eingriffen. Insofern ist Bewässerung(swirtschaft) ein ideales Objekt für fernerkundliche Beobachtung, insbesondere wegen ihrer raumzeitlichen Veränderungen (Change Detection).

In der hydrologischen Praxis ist Fernerkundung ein wichtiges Instrument für das Wassermanagement. So beginnt der Einsatz von Fernerkundung bereits beim Aufspüren von fossilen oder rezenten Grundwasserkörpern, aus denen Bewässerungssysteme gespeist werden können. Zu diesem Zweck werden die Messdaten von mehreren unterschiedlichen Beobachtungssatelliten kombiniert.

Beispielsweise verschaffen Bilder der Landsat-Satelliten einen Überblick über die Oberflächenstruktur einer Region – die verschiedenen Vegetationstypen lassen auf die grundsätzliche Bodenfeuchte schließen. Die Sensoren eines Radarsatelliten scannen die Oberflächenbeschaffenheit der Landschaft. Die von ihm ausgesandten Wellen des sogenannten C-Bandes dringen zwar nur wenige Zentimeter in den Boden ein. Doch das Relief der Oberfläche verrät ausgetrocknete Flussläufe und liefert so wichtige Anhaltspunkte, wo Grundwasser zu finden sein könnte. Mit den Daten des langwelligen Radars eines weiteren Satelliten geht der Blick zusätzlich mehrere Meter tief unter die Erdoberfläche. So "sieht" der Satellit, wo der Boden feucht ist. Die Kombination von Oberflächendaten und verschiedenen "Tiefeninformationen" erzeugt dann einen "Querschnitt" durch das Gelände.

Ferner liefern Schweremissionen Informationen über den Zustand der Grundwasserverhältnisse oder wie GRACE auch über ihre Veränderungen. Der nächste Landsat-Satellit (Landsat Data Continuity Mission) wird einen Sensor mit thermalem Band tragen, speziell um den Wasserverbrauch zu messen.

Der japanische Erdbeobachtungssatellit ALOS (Advanced Land Observing Satellite) machte die folgende Aufnahme des Imperial Valley am 4. Juli 2010 mit seinem Advanced Visible and Near Infrared Radiometer Type-2 (AVNIR-2). AVNIR-2 ist dazu ausgelegt die Landbedeckung und die Vegetation in sichtbaren und im nahen Infrarotbereich mit einer Auflösung von 10 m aufzuzeichnen. Die ESA unterstützt ALOS als Third Party Mission, indem es seine für mehrere Missionen ausgelegten Bodensysteme einsetzt um Satellitendaten zu empfangen, zu verarbeiten, zu verteilen und zu archivieren.

Die fruchtbaren Böden des  Imperial Valley in der südkalifornischen Wüstenregion sind hier mit ihrer Nutzung dargestellt. Vom südlichen Ende des Saltonsees (oben links) erstreckt sich das Tal über ca. 80 km südwärts bis nach Mexiko hinein, wo es dann Mexicali Valley genannt wird. Etwa 5.000 km Bewässerungskanäle und 200.000 Hektar bewirtschaftetes Land überziehen das Tal. Zu den wichtigsten Agrarprodukten gehören Gemüse, Weizen, Alfalfa und Vieh. Agrarpflanzen bieten auch ein wertvolles Habitat für einheimische Vögel und Zugvögel.

Eine menschengemachte Umweltkatastrophe in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts ließ den Salton Sea entstehen. 1905 wurde Wasser vom Colorado River zu Bewässerungszwecken zum Imperial Valley geleitet, aber das Flusswasser durchbrach die Kanaltore und floss zum Salton Basin. 1907 brachte man das Flusswasser unter Kontrolle, aber die großen Wassermengen hatten inzwischen den Salton Sea geschaffen, der heutzutage erhalten bleibt um Überschusswasser aus der Bewässerung aufzunehmen. Mit ca. 970 km² ist er der größte See Kaliforniens.

Man erkennt die Städte Brawley (unten rechts), Westmorland (unten links) und Calipatria (oben), sowie Ramer (oben) und Finney Lakes (Mitte rechts).

Bewässerte Wüste im Imperial Valley (Cal.) Bewässerte Wüste im Imperial Valley (Cal.) Quelle: ESA

Weltweite Forschungsanstrengungen zu dieser Thematik unternimmt die UNESCO im Rahmen von GARSoder die ESA mit Bezug auf Africa (TIGER Initiative). Verschiedene Formen von Bewässerungskulturen sind z.T. seit Jahrtausenden von starker Prägekraft für das Erscheinungsbild der Agrarlandschaft, z.B. beim bewässerten Terrassenfeldbau oder bei diversen Oasenformen und damit fernerkundlich dokumentierbar. An dieser Stelle ist auf die Überwachung von Stätten des UNESCO-Welterbes und von UNESCO-Biosphärenreservaten mit Hilfe von Fernerkundung hinzuweisen.

Gleichermaßen landschaftsprägend sind bewässerungsbedingte hydrologische Begleiterscheinungen, seien dies Infrastruktureinrichtungen wie Stauseen und Kanäle oder die Reduzierung der Abflussmengen von Flüssen, das Absinken des Grundwasserspiegels und das Verlanden von Seen bei ungenügendem Wasserzufluss. Auch dramatische ökologische Veränderungen, z. B. bei der natürlichen Vegetationsbedeckung oder der Bodenstruktur sind per Fernerkundung überwachbar.

Karusselbewässerung

Besonders eindrucksvoll sind Satellitenbilder von Bewässerungskarussels (crop circles, Karusselbewässerung) in Gebieten mit Wassermangel. Während der vergangenen drei Dekaden hat beispielsweise Saudi-Arabien eine Ressource erschlossen, die wertvoller ist als Öl. Ingenieure und Farmbetriebe haben verborgene Wasserreserven angezapft, um Getreide, Früchte und Gemüse in der Wüste anzubauen. Die vier Satellitenbilder zeigen die Entwicklung der landwirtschaftlichen Nutzung im Wadi As-Sirhan Basin. Sie wurden von technisch ähnlichen Sensoren, dem Thematic Mapper und dem Enhanced Thematic Mapper Plus auf drei verschiedenen Landsat-Satelliten (4, 5, 7) aufgenommen. Die einzelnen Parzellen in den Bildern haben einen Durchmesser von ca. 1 km und nutzen Karusselbewässerung.

Die Sensoren zeichneten das von der Erde reflektierte Licht im kurzwelligen Infrarot, im nahen Infrarot und in den Grünanteilen des elektromagnetischen Spektrums auf. Mit dieser Kombination erscheint junge Vegetation hellgrün, wohingegen trockene Vegetation oder Brachland rostrot erscheinen. Trockene, kahle Flächen (meist Wüste) sind rötlich und gelb.

Das geförderte Wasser dieses Projekts ist fossiles Wasser, das sich in gemäßigterem Klima während der letzten Kaltzeit vor ca. 20.000 Jahren gebildet hat und jetzt bis 1 km tief unter Sandmassen und Kalksteinformationen begraben liegt. Die genauen Vorräte (252 - 870 km³) sind nicht bekannt, aber eine wirtschaftliche Förderung ist nach Schätzungen nur für 50 Jahre möglich.

Der aktuelle durchschnittliche Niederschlag von 100 bis 200 mm/a genügt nicht, um die Aquifere aufzufüllen, womit es sich um nicht erneuerbare Vorräte handelt. 2006 hatte das Land nach Angaben der FAO 2,4 km³ erneuerbares Süßwasser an der Oberfläche verfügbar, der gesamte Verbrauch betrug hingegen 23,7 km³. Die für wüstenbasierte Landwirtschaft benötigte Wassermenge verdreifachte sich von ca. 6,8 km³ 1980 auf ca. 21 km³ 2006.

Crop Circles in der Wüste (Saudi Arabia) saudiarabia_lres

5. Februar 1987

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24. Februar 1991

saudiarabia3_lres

12. März 2000

saudiarabia4_lres

17. Januar 2012

References:

Quelle: NASA Earth Observatory

Weitere Informationen:


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