Stadt und Fernerkundung
Die Erdbeobachtung ist für den städtischen Raum ein noch junges Mittel zur Daten- und Informationsgewinnung, auf die stadtanalytische und -planerische Arbeit aufbauen kann. Die seit den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu beobachtenden raschen Entwicklungen flugzeug- und satellitengestützer Sensoren ermöglichen die kleinräumige, heterogene Charakteristik städtischer Räume geometrisch und thematisch sehr detailliert und in kurzen Zeitintervallen zu erfassen. Allerdings finden die mittels Fernerkundung erhobenen Daten bislang nur geringen Eingang in den stadtplanerischen Alltag.
Physische Strukturen einer Stadt lassen indirekt Schlüsse auf demographische und sozioökonomische Parameter zu. Welche Rolle multiskalige, multitemporale und multisensorale Fernerkundungsdaten und Methoden im Hinblick auf ihre Potenziale zur direkten Ableitung physischer Informationen über die Art der Urbanität spielen können, ist z.Z. trotz einer Vielzahl wissenschaftlicher Arbeiten (vgl. Taubenböck / Dech 2010) und angesichts rascher technologischer Entwicklung bei Sensorik oder bei der automatisierten Ableitung von Objekttypen nur bedingt zu beurteilen.
Einsatzmöglichkeiten für Fernerkundung im urbanen Raum:
- Bereitstellung einer aktuellen, flächendeckenden und relativ kostengünstigen Geo-Informationsbasis, um das kleinräumige physische urbane System zu erfassen.
- Thematische Erfassung der Landbedeckung mit einer Klassifikationsgüte von über 90 % bei weitgehender Automatisierung des Prozessablaufs.
- Wertvolle raumbezogene Grundlageninformationen für die Stadtplanung, die unabhängig von administrativen Einheiten, flächendeckend und hoch aktuell bereitgestellt werden können.
- Flächendeckende Erfassung städtischer Oberflächenmaterialien, z.B. zur Beurteilung der stadtplanungsrelevanten Wirkung der Umwidmung von versiegelten Flächen zu Grünanlagen oder zu stadtklimatologischen Betrachtungen.
- Stereo-Luftbildtechnologie ermöglicht die Erstellung von detailgenauen fotorealistischen 3-D-Stadtmodellen mit einer geometrischen Auflösung von bis zu 5 cm (2010). Damit ergeben sich Potenziale für das Katasterwesen im Bereich Aktualisierung oder Neuerfassung, ferner in den Bereichen der Standort- und Wirtschaftsförderung, Immobilienvermarktung, Innere Sicherheit (Einsatzplanung, Flucht- und Rettungswege), Umweltanalysen, Tourismus.
- Automatische Analyse von Menschenmassen aus Luftbildsequenzen als Ergänzung der terrestrischen Datenerfassung.
- Bereitstellung krisenrelevanter Geoinformationen, z.B. zur Überwachung von Zugbahnen von Hurrikanen, der Detektion von potentiellen Hangrutschungsgebieten oder dem Messen von Deformationen bei Vulkanen; Abschätzung oder Kartierung der Auswirkungen von Naturgefahren (Vulnerabilität).
- Von der NASA geförderte Wissenschaftler haben zum ersten Mal die gesundheitlichen Folgen in Städten auf der ganzen Welt mit satelliten- und bodengestützten Daten zur Luftverschmutzung in Verbindung gebracht. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass die Luftqualität trotz Verbesserungen in einigen Teilen der Welt und bei bestimmten Schadstoffen nach wie vor ein wichtiger Faktor für die Entstehung von Krankheiten ist. Die Verringerung der Luftverschmutzung ist für die öffentliche Gesundheit von entscheidender Bedeutung, insbesondere für Kinder, die besonders anfällig für Atemwegserkrankungen wie Asthma sind.
Zweifellos kann von Fernerkundungsdaten die hohe räumliche und thematische Qualität und Verlässlichkeit von Katasterinformationen nicht erreicht werden. Erwartungen der Stadtentwicklungsplanung an Fernerkundungsdaten bestehen vornehmlich in den Bereichen Flächenmonitoring, Typisierung von Freiräumen und Siedlungsbereichen, regionale Klimaanalysen, Vulnerabilitätsstudien, Ermittlung von Eignungsräumen für die Erzeugung regenerativer Energien, Bereitstellung von Grundlagen für großräumige Umweltprüfungen und Sensitivitätsanalysen, z.B. im Zusammenhang mit großen Infrastrukturprojekten.
Weitere Informationen:
- Baum in the City (DLR)
- No Breathing Easy for City Dwellers: Nitrogen Dioxide (NASA Earth Observatory 2022)
- No Breathing Easy for City Dwellers: Particulates (NASA Earth Observatory 2022)
- City heat extremes (ESA 2022)