Lexikon der Fernerkundung

Sea Launch

Sea Launch war ein internationales Raumfahrtprojekt zur Vermarktung von Raketenstarts von einer speziell adaptierten Bohrplattform in Äquatornähe. Formaler Betreiber des Systems war eine gleichnamige Schweizer Aktiengesellschaft mit Sitz in Nyon.

Gegründet wurde die Firma 1995 von einem internationalen Firmenkonsortium aus Boeing (verantwortlich für Nutzlasten und Starts), RKK Energija (Hersteller der Block DM-Oberstufe), SDO Yuzhnoye/PO Yuzhmash (Herstellung der Zenit) und Aker Kvaerner (verantwortlich für die Startplattform "Odyssey" und das Kommandoschiff "Sea Launch Commander").

Gestartet wurde von 1999 bis 2014 mit Zenit-3SL-Trägerraketen; dabei handelte es sich um eine Zenit-2 mit Block-DM-Oberstufe und einigen Modifikationen für den Start von See aus. Insgesamt wurden mit dieser Rakete 33 Nutzlasten mit Massen von bis zu sechs Tonnen in Geotransferorbits (GTO) befördert. Die Sea-Launch-Schiffe wurden an den russischen Verkehrskonzern S7 Group verkauft, der sie nach Russland verlegte.

Infolge des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine sind keine Zenit-Raketen mehr verfügbar. Nach einem Insolvenzverfahren befand sich die Firma Sea Launch AG seit 2010 im Mehrheitsbesitz von Energia Overseas Ltd., einer Tochterfirma des russischen Raumfahrtkonzerns RKK Energija. Im September 2016 wurde die Übernahme durch die russische S7 Airlines angekündigt.

Die Firma startete fast ausschließlich Kommunikationssatelliten, und zwar vom Äquator aus bei 154° w.L., etwa 2.200 km südlich von Hawaii. Da alle Kommunikationssatelliten in einer äquatorialen geostationären Bahn umlaufen, ist man so in der Lage, die Flugbahn der Trägerrakete mit Hilfe der Erdrotation zu optimieren. Die Rotationsgeschwindigkeit der Erde stellt in Äquatornähe schon einen gehörigen Teil der für einen Orbit nötigen Geschwindigkeit bereit, so dass die Rakete weniger Leistung aufbringen muss. Auch wird der Satellit direkt in die Umlaufbahn auf Äquatorebene gebracht, was eine längere Lebensdauer (größere Restmengen an Treibstoff für Kurskorrekturen) und größere Nutzlasten ermöglicht.

Sea Launch

Links: Sea Launch Plattform mit Zenit-Trägerrakete und Sea Launch Commander im Hafen

Rechts: Start von DirecTV-1R (2008)

Quelle: Sea Launch

Russlands Kosmodrome sind jedoch alle weit vom Äquator entfernt, so dass man sich überlegte, wie man trotzdem mit der günstigen Zenit wettbewerbsfähig starten konnte. Nach den ersten Studien 1993 entstand 1995 das Projekt Sea Launch. Die nächsten 4 Jahre wurden zum Aufbau der Infrastruktur genutzt. So wurde das Kommandoschiff "Sea Launch Commander" gebaut und aus einer ausgedienten Ölbohrplattform entstand die Startplattform "Odyssey". Der Heimathafen von sowohl "Sea Launch Commander" als auch "Odyssey" befindet sich in Long Beach, Kalifornien. Einige Wochen vor einem Start wird die Zenit-Rakete in einen Hangar auf der Startplattform geladen, danach fahren sowohl das Schiff als auch die Startplattform zu einer Stelle im Pazifik. Kurz vor dem Start wird die Rakete aufgerichtet und die Startmannschaft wechselt auf die "Sea Launch Commander". Der Start selbst erfolgt ferngesteuert von der dann unbemannten Startplattform. Zusätzlich zu der sich auf der Startplattform befindenden Rakete kann die "Sea Launch Commander" weitere Raketen transportieren. Davon wird jedoch kein Gebrauch gemacht, da die Startrate relativ niedrig ist, und so für beide Schiffe genug Zeit bleibt, um in den Heimathafen zurückzukehren. Gestartet wird mit der Zenit-3SL, einer Zenit-2 mit Block DM-Drittstufe und einigen Modifikationen für den Start von See aus. Der Erstflug mit einem Dummy-Satelliten fand 1999 statt, der erste kommerzielle Flug folgte noch im selben Jahr.

Im April 2005 wurde der mit über 6.000 kg bislang schwerste Kommunikationssatellit gestartet.

Sea Launch ist nicht die erste im Meer verankerte Startplattform. In den 70er Jahren wurde vor der Küste Kenias die San-Marco-Plattform zum Start von Scout- und Höhenforschungsraketen verankert. Von der Hubinsel "Barbara" erfolgten zu Beginn der 1970er Jahre einige Raketenerprobungen im Auftrag der Bundeswehr.


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