Lexikon der Fernerkundung

Radiosonde

Ein Ballon-getragenes, mit Telemetrie ausgestattetes Instrumentenset aus der Aerologie zur direkten Messwertnahme meteorologischer Parameter von der Erdoberfläche bis in eine Höhe von ca. 30 km und zur unmittelbaren Datenübermittlung. Entsprechend setzt sich auch der Name aus zwei Teilen zusammen, 'Radio-' (engl. für Funkgerät) und -'sonde', der Bezeichnung für die Messfühler. Die Radiosonde wurde 1927 von Moltschanoff erfunden. Schon in den folgenden Dekade entstand vor allem in Europa und den USA ein Radiosondenmessnetz, mit dessen Messwerten Höhenwetterkarten erstellt wurden.

Radiosonden

Radiosonde

Radiosonde mit integriertem GPS-Empfänger aus dem Jahr 2008.

Links die  quadrifilare Helixantenne für GPS-Empfang, rechts als silbernes Metallband der Temperaturfühler und darunter der Sensor zur Luftfeuchtigkeitsmessung.

Aktuellere Geräte sind weiter miniaturisiert.

Quelle: Wikipedia

Die Bedeutung von Radiosonden liegt in der direkten Art der Datengewinnung, ein Vorteil gegenüber anderen Verfahren, die überwiegend aus der Ferne, z.B. von Wettersatelliten aus arbeiten. Nur mit einer Radiosonde kann die Atmosphäre mit ausreichender Höhenauflösung und Genauigkeit vermessen werden, um ein genaues Bild über deren aktuellen Zustand zu erhalten. Nachteilig ist die Winddrift, die eine Abweichung vom Startpunkt bis zu 300 km bewirken kann. Andererseits kann aus dem Windversatz der Radiosonde indirekt der Höhenwind bestimm werden.

Radiosondenaufstiege werden i.a. zweimal täglich weltweit durchgeführt (üblicherweise 0000 und 1200 UTC). Ungefähr 800 der mehr als 2.800 IGRA-Stationen die sich am diesbezüglichen Programm Integrated Global Radiosonde Archive (IGRA) beteiligen, melden derzeit (2021) Daten. Die vertikale Ausdehnung sowie die zeitliche und vertikale Auflösung variieren ebenfalls zwischen den Stationen und im Laufe der Zeit. Das IGRA wird vom National Climatic Data Center der NOAA betrieben. Es verfügt über 28 Mio qualitätsüberprüfte Radiosondenbeobachtungen über einen Zeitraum von 1938 bis 2005.

Die Standorte der IGRA-StationenRadiosonden-Stationen Quelle: NOAA

Der mit 4 m3 Wasserstoff gefüllte Gummi-Ballon (800 g) trägt die 30 m unter dem Ballon angebrachte Instrumentenkapsel (650 g) mit einer definierten Steiggeschwindigkeit von ca. 300 m pro Minute. Während des Aufstieges werden über die Messfühler ständig Messwerte genommen und über die Sendeeinheit per Funk an die Bodenempfangsstation übertragen. Die Instrumente messen Temperatur (Bimetallthermometer), Luftfeuchte (Haarhygrometer), Luftdruck (Aneroidbarometer), ferner Taupunktunterschreitung, geopotentielle Höhe, sowie die verstrichene Zeit seit dem Start. Durch Verfolgung der Sonde mit Theodoliten, mittels Radar oder mit Hilfe von GPS kann auch der (Höhen-)Wind bestimmt werden. Für die Radar-Verfolgung wird ein zusätzlicher Reflektor an der Sonde angebracht.

Der Flug der Radiosonde kann mehr als zwei Stunden dauern, und während dieser Zeit kann die Radiosonde auf über 35.000 m aufsteigen und mehr als 200 km vom Startpunkt entfernt driften. Während des Fluges ist die Radiosonde Temperaturen von bis zu -92°C und einem Luftdruck ausgesetzt, der nur ein paar Hundertstel dessen beträgt, was an der Erdoberfläche vorherrscht.

Mit dem Aufstieg dehnt sich der Ballon wegen des abnehmenden Luftdrucks aus. Bei Erreichen der maximalen Höhe platzt der Ballon (Rekord im Bereich des DWD bei ca. 39 km bzw. 2,5 hPa), und die Instrumentenschachtel aus Styropor schwebt an einem Fallschirm zur Erde zurück. Etwa 25 % der Instrumente werden gefunden (Vergütung für die Finder) und erneut eingesetzt.

Ballone, die keine Instrumente, sondern lediglich einen Radar-Reflektor tragen, nennt man Pilotballone. Sie dienen zur Erfassung des vertikalen Windprofils. Die Wolkenuntergrenze kann man bestimmen, indem man das Verschwinden des Ballons in der Wolke beobachtet. Ferner kommen Spezialradiosonden zum Einsatz, zu denen Ozonsonden mit optischen oder elektrochemischen Sensoren sowie Strahlungssonden zählen.

Radiosondenaufstieg Radiosondenaufstieg

Ein typisches Radiosondenaufstiegsgespann besteht aus einem mit Wasserstoff gefüllten Gummiballon (spezieller Latex mit 0,05 - 0,1 mm Wandstärke), einem Papierfallschirm, ggf. einem Radarreflektor (mit Reflektorfolie bespanntes Pappkreuz) und der Radiosonde mit ggf. GPS-Empfänger. Alle Teile sind durch Schnüre verbunden, wobei sich die Radiosonde ca. 30 m unter dem Ballon befindet.

Quelle: Lockheed Martin

Der Einsatz von Radiosonden wird zwar den in situ-Methoden zugerechnet, mit ihrer Funktion der bodengestützten Bahnverfolgung zur Bestimmung des Höhenwindfeldes besitzt sie aber auch eine Fernerkundungskomponente. Ein weiterer Bezug zur Fernerkundung besteht in der Nutzung der Radiosondendaten zur unerläßlichen Kalibrierung und Validierung von z.B. Satellitendaten.

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