Lexikon der Fernerkundung

Permafrost und Fernerkundung

Permafrost-Regionen nehmen rund 25 Prozent der Erdoberfläche der Nordhemisphäre ein. In vielen dieser Regionen taut der Permafrost- bzw. Dauerfrostboden langsam und unaufhaltsam auf  – mit drastischen Konsequenzen für das Klima und die Erde. Vor allem die Inuits, eine in Kanada und Grönland beheimatete indigene Volksgruppe, sind von den Folgen betroffen. Ein Auftauen der Dauerfrostböden erschwert das Jagen und den Hausbau. Zudem können Straßen, Eisenbahnschienen, Landebahnen, Gebäude, und Öl- und Gas-Pipelines beschädigt werden, da der Boden schlammig und instabil wird.

In den Alpen, einem weiteren Verbreitungsgebiet von Permafrost, ist die Bodentemperatur im Dauerfrost innerhalb von 50 Jahren um 0,5 Grad gestiegen. In den vergangenen 100 Jahren hat sich die Permafrostgrenze um 100 bis 300 Höhenmeter nach oben verschoben. Diese stets gefrorenen Böden, die im Sommer nur oberflächlich abtauen, haben eine wichtige Funktion: Das Eis hält Felsgestein, Schutt, Steine und Boden zusammen. Permafrost in Felswänden oder steilen Hängen trägt massgeblich zur Hangstabilität bei: je kälter der Permafrost, desto höher ist die Hangstabilität. Mit einsetzender Erwärmung wird das Eis-Fels-Gemisch "weicher", d.h. das Gemisch beginnt sich plastisch zu deformieren und zu rutschen. Dies kann langsam, aber auch abrupt geschehen. Millionen Euro werden für den Katastrophenschutz ausgegeben. Siedlungen und Verkehrswege müssen mit Auffangdämmen vor Schnee- und Gerölllawinen geschützt werden.

In den sich rasch erwärmenden arktisch-borealen Regionen des hohen Nordens verstärkt sich die Dynamik der Permafrostlandschaft. Mit Feldstudien können eine Vielzahl von periglazialen Prozessen im Zusammenhang mit Permafrostbildung und -auftauen beobachtet und verstanden werden, aber für ein umfängliches, quantitatives Verständnis dieser Dynamik und ihrer Auswirkungen über lokale Untersuchungsflächen hinaus liefert die Fernerkundung sehr nützliche und zunehmend einzigartige Erkenntnisse. Darüber hinaus überbrückt die Fernerkundung oft die räumlichen und zeitlichen Lücken zwischen Feldmessungen und Modellierungen indem sie räumlich konsistente und/oder zeitlich kontinuierliche Zeitreihendaten über Landbedeckungsveränderungen, Permafrostlandschaftswandel, oder andere Umweltdynamiken liefert.

Permafrost(boden)

Von Permafrost(boden) oder Dauerfrostboden spricht man, sobald die Temperatur des Bodens in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Jahren unter null Grad Celsius liegt. Der Untergrund kann dabei aus Gestein, Sedimenten oder Erde bestehen und unterschiedlich große Eismengen enthalten. In der Arktis gibt es Gebiete, in denen 70 Prozent des Untergrundes aus Eis bestehen – beispielsweise im nordöstlichen Sibirien. Dort gab es während der letzten Kaltzeit (115.000 bis 10.000 Jahre vor heute) besonders kalte und lange Winter. Gleichzeitig wurde der Boden dort nicht von einem Eisschild geschützt, so dass kalte Luft tief in den Boden eindringen konnte. Bis circa 1,6 Kilometer reicht der Dauerfrost in dieser Region heute ins Erdinnere.

Die meisten Permafrost-Landschaften sind an der typischen Musterung ihrer Oberfläche zu erkennen, zum Beispiel durch so genannte polygonale Netzstrukturen, die sich durch wiederholtes Gefrieren im Winter bilden. Die extrem kalten Wintertemperaturen der Arktis führen dazu, dass sich der gefrorene Boden über die Landschaftsoberfläche hinweg zusammenzieht. Hierdurch entsteht ein regelmäßiges Muster von Rissen, ganz ähnlich wie Bodenrisse nach einer Dürre. Während der Schneeschmelze im Frühjahr werden diese zentimeterweiten und metertiefen Risse mit Wasser gefüllt. Aufgrund der Kälte des Bodens gefriert dieses Wasser gleich wieder, wodurch sich vertikale Eisvenen bilden, die über Jahrzehnte und Jahrtausende zu Eiskeilen heranwachsen und an der Oberfläche die typischen Polygonmuster entstehen lassen.

Ein typischer Boden in einer Permafrostregion besteht aus zwei Schichten: einer so genannten aktiven und einer gefrorenen Schicht. Die aktive obere Schicht taut jeden Sommer um circa 15 bis 100 Zentimeter auf. In dieser dünnen Schicht spielt sich der Großteil der biologischen und biochemischen Aktivität in arktischen Böden ab.

Permafrost tritt viel häufiger auf, als allgemein vermutet wird – circa ein Viertel der Landfläche auf der Nordhalbkugel sind Permafrostböden. Der Großteil dieser Böden findet sich in den Polarregionen, aber auch in hohen Gebirgen. So gibt es sogar in Deutschland alpinen Permafrost, nämlich auf der Zugspitze.

Im Permafrost sind riesige Mengen abgestorbener Pflanzenreste gespeichert, Permafrostböden sind Kohlenstoffsenken. Schätzungen zufolge könnten dort 1.600 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert sein. Im Gegensatz zu tropischen oder gemäßigten Klimazonen kann diese organische Materie im gefrorenen Boden nicht durch Mikroben abgebaut werden, da Bakterien erst aktiv werden, wenn der Permafrost taut.

Doch wenn sich das Klima weiter erwärmt, der Permafrost in der Folge taut, wird das organische Material der oberen Bodenschicht von Mikroorganismen zersetzt. Steht dabei Sauerstoff zur Verfügung, entsteht Kohlendioxid (CO2). Herrscht Sauerstoffmangel, weil Wasser auf der Oberfläche steht, entsteht durch Fäulnisprozesse Methan (CH4). Methan ist etwa 21-mal gefährlicher für das Klima als Kohlendioxid.

Neben dem schon jetzt vermehrt freigesetzten Methan lauert eine weitere Gefahr: Methanhydrate - große Kristalle mit eingelagerten Methanmolekülen. Sie lagern in großen Mengen eingeschlossen im vereisten Boden, aber auch in Meeressedimenten. Methanhydrate bilden sich bei hohem Druck und niedrigen Temperaturen. Sie sind brennbar und zersetzen sich an der Luft.

Quelle: AWI

Permafrost in der nördlichen Hemisphäre Permafrost in der nördlichen Hemisphäre

Der Permafrost taut auf und verändert sich schnell, was die arktische Region und den gesamten Planeten vor ernsthafte Herausforderungen stellt. Eine neue Karte, die im Rahmen des Nunataryuk-Projekts erstellt wurde, gibt ein aktuelles Bild der Ausdehnung des Permafrosts in der Arktis und den subarktischen Regionen, sowohl an Land als auch vor der Küste, und stellt eine wichtige Grundlage dar, von der aus Permafrostveränderungen in der Zukunft gemessen werden können.

Diese neue Karte spiegelt ein verbessertes Verständnis der Ausdehnung des Permafrosts sowohl an Land als auch unter Wasser wider. Sie veranschaulicht, wie sich der terrestrische Permafrost unter dem Arktischen Ozean ausbreitet, insbesondere in Nordsibirien und Alaska. Etwa 10 Prozent der gesamten Permafrostfläche in der nördlichen Hemisphäre befindet sich unter dem Meeresboden, und seine Dicke variiert stark. Submariner Permafrost ist noch viel weniger erforscht als terrestrischer Permafrost, und weitere Forschung ist notwendig, um das Ausmaß und die Auswirkungen des auftauenden Permafrosts besser zu verstehen, insbesondere in den Küstenregionen der Arktis.

Quelle: GRID Arendal 2021

Fernerkundliche Messungen ermöglichen mit ihrer großräumigen Abdeckungen und hohen räumlichen Auflösung ein genaues Monitoring von jahreszeitlich bedingten und langfristigen Änderungen, die durch in der aktiven Schicht des Permafrostes auftretende Auftau- und Gefrierprozesse hervorgerufen werden. Diese Informationen können in Kombination mit in-situ Beobachtungen genutzt werden, um die im aktiven Bereich des Permafrosts ablaufenden Prozesse und ihre Einflussfaktoren besser zu verstehen.

Wissenschaftler, z.B. des AWI konzentrieren sich mit ihren Fernerkundungsarbeiten insbesondere auf die Landschaftsmerkmale der Permafrostregion, die Veränderung der Bodenbedeckung, Oberflächenstörungen sowie Küstenprozesse mit einer breiten Palette von hoch bis moderat auflösenden Sensoren (optisch, hyperspektral, SAR, Lidar). Als Sensorträger kommen dabei sowohl Satellitenplattformen, wie auch die AWI-eigenen Boden- und Flugzeugplattformen zum Einsatz. Die Beobachtungsobjekte umfassen Thermokarst- und Thermoerosionsprozesse, Seen und Seeneis, Landbedeckungsänderungen, Frosthebungen und Tauabsenkungen, Süßwasser- und küstennahe aquatische Umgebungen sowie eine Vielzahl von periglazialen Landformen. Die Wissenschaftler verwenden die Informationen aus der Fernerkundung für die Analyse von räumlichen Verteilungen, Mustern und Morphometrien, die Quantifizierung von Prozessraten, Frequenzen und Größen, die Beurteilung von Veränderungen vom Plotmaßstab bis hin zu kontinentalen Regionen sowie die Skalierung von Felddaten wie zum Beispiel Kohlenstoffspeicher und -flüsse.

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