Lexikon der Fernerkundung

Solar Orbiter

Raumsonde der ESA mit starker Beteiligung der NASA, die mit einer amerikanischen Atlas-V-Trägerrakete gestartet werden soll. Es handelt sich um die erste Mittelklasse-Mission des Wissenschaftsprogramms Cosmic Vision 2015–2025 der ESA. Der von Airbus in Stevenage (UK) gebaute Solar Orbiter wird die Sonne und ihre Wirkung auf das Sonnensystem mit bisher unerreichter Genauigkeit untersuchen. Die Raumsonde verfügt über ein umfangreiches Set an Instrumenten, die Teilchen, Felder und Wellen des Plasmas messen, das sie durchqueren wird. Zugleich wird sie Oberfläche und äußere Atmosphäre der Sonne – Photosphäre und Korona – beobachten. Dabei wird der Solar Orbiter Strukturen in der Sonnenkorona ab einer Größe von 35 Kilometern aufnehmen können.

Solar Orbiter: Betrieb in extremen Umgebungen Solar Orbiter: Betrieb in extremen Umgebungen

Der Solar Orbiter muss bei seiner Annäherung an die Sonne jahrelang in einer der feindlichsten Regionen des Sonnensystems operieren. So nahe an der Sonne wird das Raumschiff dem Sonnenlicht 13 Mal intensiver ausgesetzt sein als das, was wir auf der Erde empfinden. Das Raumschiff muss auch starke Ausbrüche von Teilchenstrahlung aus Explosionen in der Sonnenatmosphäre ertragen.

Der Hitzeschild des Raumschiffs ist der Schlüssel zur Ermöglichung dieser Mission, die Temperaturen von 500° C aushalten kann. Kleine Schiebetüren mit hitzebeständigen Fenstern lassen das Sonnenlicht in die wissenschaftlichen Instrumente eindringen, die sich direkt hinter dem Hitzeschild befinden.

Quelle: ESA

Die starke Annäherung an die Sonne bedeutet, dass manche Teile der Raumsonde Temperaturen von bis zu 500 Grad Celsius aushalten müssen. Zum Schutz verfügt die Sonde über ein Hitzeschild, bestehend aus einer Titankonstruktion, welche die Wärme seitlich ableitet. Der Hitzeschild ist zusätzlich mit einer tiefschwarzen Beschichtung überzogen, die z. T. aus verbrannten und zerkleinerten Tierknochen besteht. In ihm lassen sich zeitweise kleine Luken öffnen, durch die Kameras hindurchschauen können. Dahinter schirmen 29 weitere Schichten die Instrumente im Innern vor der Hitze ab. Der Schutzschild ist ingesamt vierzig Zentimeter dick. Somit liegt die komplette Sonde hinter ihm im Schatten. Andere Teile sind im ständigen Schatten eisigen Temperaturen von bis zu minus 180 Grad Celsius ausgesetzt. Damit die hochempfindlichen Instrumente Magnetfelder und Teilchen der Sonne messen können, muss die Sonde selbst für die Sensoren unsichtbar sein.

Am sonnennächsten Punkt wird Solar Orbiter der Sonne mit einem Abstand von 0,28 Astronomischen Einheiten (AE) – das entspricht etwa einer Entfernung von 42 Millionen Kilometern – näher sein als der Planet Merkur. Im Laufe der Mission wird sich die Raumsonde aus der Ekliptikebene herausbewegen. So sind Langzeitbeobachtungen eines Ausschnitts der Sonnenoberfläche und ein Blick auf die Pole der Sonne möglich. Die Polregionen sind besonders wichtig für das Studium des Magnetfeldes, dessen Linien dort aus dem Sonneninnern austreten.

Noch nie ist eine Raumsonde der Sonne so nahegekommen. Hier ist das Sonnenlicht dreizehnmal so intensiv wie für die Satelliten in der Erdumlaufbahn. Der Solar Orbiter muss intensiver Wärmestrahlung standhalten und den Schutz seiner Instrumente gewährleisten, ohne den Blick auf die Sonne zu versperren. Der Hitzeschild und die neue Hochtemperatur-Solarpaneel-Technologie sind zentrale Faktoren für den Erfolg der Mission. Um sich zu positionieren und den Orbit über den Polen zu erhöhen, wird Solar Orbiter eine Reihe komplexer Vorbeiflug-Manöver durchführen und so die Anziehungskräfte von Erde und Venus nutzen.

Die Sonne stößt bei Eruptionen Hochenergieteilchen aus (koronale Massenauswürfe), die Stromverteilungssysteme stören, Computer zum Absturz bringen, Satelliten beschädigen und Astronauten gefährden können. Solar Orbiter wird die Sonne aus einer elliptischen Umlaufbahn um das Gestirn beobachten und wissenschaftliche Daten liefern, die zu einem besseren Verständnis der Abläufe beitragen, die auf der Sonne diese heftigen und gefährlichen Eruptionen auslösen.

Die vier wissenschaftlichen Hauptfragen der Solar Orbiter-Mission sind:

Solar Orbiters Set von zehn Instrumenten Solar Orbiters Set von zehn Instrumenten

Es gibt zwei Arten: Die In-situ-Instrumente messen die Bedingungen um das Raumschiff selbst. Die Fernerkundungsinstrumente messen, was in großer Entfernung geschieht. Zusammen können beide Datensätze verwendet werden, um ein vollständigeres Bild der Vorgänge in der Korona der Sonne und des Sonnenwindes zu erhalten.

Quelle: ESA

Vor dem 1,8 Tonnen schweren Orbiter liegt eine lange Reise. Bis auf 42 Millionen Kilometer soll der Satellit an die Sonne heranfliegen. In dieser Entfernung ist die Intensität der Sonne nach Angaben der ESA bereits 13 Mal so hoch wie auf der Erde. Solar Orbiter hat zehn wissenschaftliche Instrumente an Bord, die von Instituten in verschiedenen europäischen Ländern entwickelt und zugeliefert wurden, eines von der amerikanischen NASA. Sie sollen sowohl aus der Ferne Messungen vornehmen, als auch die direkte Umgebung des Solar Orbiters analysieren.

Gesteuert wird die Sonde vom Europäischen Raumflugkontrollzentrum (ESOC) in Darmstadt aus, die wissenschaftliche Leitung liegt beim Europäischen Weltraumastronomiezentrum (European Space Astronomy Centre, ESAC) im spanischen Villanueva de la Cañada.

Die 10 Instrumente der wissenschaftlichen Nutzlast auf Solar Orbiter *
Instrument Messungen
EPD: Energetic Particle Detector  (Detektor für energiereiche Teilchen) Zusammensetzung, Zeitverhalten und Verteilungsfunktionen von suprathermalen und energieeichen Teilchen
MAG: Magnetometer In-situ Messungen des heliosphärischen Magnetfeldes
RPW: Radio and Plasma Waves (Radio- und Plasmawellen) Magnetische und elektrische Felder in hoher Zeitauflösung (in-situ und in Fernerkundung)
SWA: Solar Wind Plasma Analyser  (Sonnenwind-Plasma-Analysator) Eigenschaften der Ionen und Elektronen des Sonnenwindes  (inkl. Dichte, Geschwindigkeit und Temperatur); Ionenzusammensetzung der Hauptelemente des Sonnenwindes
PHIPolarimetric and Helioseismic Imager (Polarimetrischer und Helioseismischer Imager) Magnetfeldvektor und  Geschwindigkeit in Richtung der Sichtlinie  in der Photosphäre für die volle Sonnenscheibe und Kontinuum-Intensität im sichtbaren Wellenlängenbereich
EUI: Extreme Ultraviolet Imager  (Extrem-Ultraviolett Imager) EUV-Bildsequenzen der Schichten der Sonnenatmosphäre oberhalb der Photosphäre, simultan  mit mittlerer Auflösung für die volle Sonnenscheibe und  mit hoher Auflösung für einen Ausschnitt der Sonnenscheibe
SPICE: Spectral Imaging of the Coronal Environment  (Spektrale Abbildung der koronalen Umgebung) Abbildende Spektroskopie der Korona im EUV (extrem ultraviolette Strahlung)
STIX: X-ray Spectrometer/Telescope (Röntgenspektrometer/Teleskop) Abbildende Spektroskopie der solaren thermischen und nicht-thermischen Röntgenstrahlenemission
Metis: (Multielement-Teleskop zur Bildgebung und Spektroskopie) Koronagraph Abbildung der Sonnenkorona im sichtbaren Wellenlängenbereich (polarisiert und nicht-polarisiert) und im UV
SoloHI: Heliospheric Imager  (Heliosphärischer Imager) Sichtbares Sonnenlicht gestreut durch Elektronen des Sonnenwinds
* die ersten vier Instrumente dienen in situ-Messungen, die folgenden sechs sind Fernerkundungsinstrumente - Quelle: MPS / DLR

Die fast 1,5 Milliarden Euro teure Mission ist für zunächst sieben Jahre finanziert (einschließlich der Transferphase), weitere drei Jahre sind für eine erweiterte Mission vorgesehen. Der Start erfolgte am 10. Februar 2020 mit einer Atlas V 411 von Cape Canaveral aus.

Weitere Informationen:


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