Lexikon der Fernerkundung

Reinraum

Engl. clean room; Raum in dem die Anzahl von Schwebepartikeln in der Luft möglichst gering gehalten wird. Reinräume kommen vor allem im Bereich der Halbleitertechnik, sowie in Bereichen der Optik und Medizin zum Einsatz.

Reinräume werden auch in der Raumfahrtindustrie verwendet, um Satelliten oder Subsysteme in staubfreien Umgebungsbedingungen zu integrieren. Ziel dabei ist unter anderem das Risiko von Kratzern, Verschmutzungen oder Beschädigungen durch Staub- und Schmutzpartikel zu minimieren. Dadurch wird späteren Schäden an der Elektronik, optischen Systemen und Thermalkomponenten vorgebeugt. Ein Staubpartikel in einem Schalter oder Schaltkreis kann zum Ausfall z. B. einer Raumsonde führen. Staub auf Spiegeln oder Kameralinsen kann einen Satelliten blind machen und ist deshalb unbedingt zu vermeiden.

Um sicherzustellen, dass die Partikelkonzentration den angestrebten Grenzwert nicht übersteigt, wird kontinuierlich die Luftgüte gemessen. Da stets gleiche Bedingungen herrschen sollten, werden die Parameter Druck, Temperatur und Luftfeuchtigkeit ebenfalls überwacht. Für die Arbeiten in Reinräumen gibt es spezielle Kleidung und spezielles Werkzeug. Beide haben abriebfeste Oberflächen, von denen sich möglichst wenige Partikel ablösen können. Gewöhnlich muss jeder, der einen Reinraum betritt, über eine klebrige Bodenmatte gehen, wodurch der Schmutz von den Schuhen entfernt wird.

Die Belüftung von Reinräumen erfolgt mittels der turbulenten Verdünnungs- oder Mischströmung bzw. der turbulenzarmen Verdrängungsströmung. Bei turbulenzarmen Verdrängungsströmen fließt Luft vertikal oder horizontal durch den Arbeitsraum. Die zuvor mit Schwebestofffiltern gereinigte zuströmende Luft wird entweder durch den Boden oder durch die gegenüberliegende Wand wieder abgesaugt. Ziel ist es, mit einem turbulenzarmen stetigen Luftstrom die im Arbeitsraum befindlichen Schmutzpartikel zu entfernen.

Reinräume als Teil von Integrationshallen zur Satellitenfertigung sind kostenaufwendig. Der Bremer Satellitenbauer OHB erstellt beispielsweise bis 2020 eine Halle der Reinraumklasse ISO 8 mit einem Investitionsvolumen von ca. 14 Mio Euro. Airbus D&S hat Anfang 2019 Europas modernstes Satelliten-Integrations- und Raumfahrt-Technikzentrum, das sogenannte Integrated Technology Centre (ITC), offiziell in Betrieb genommen und damit seine Reinraumflächen zum Bau von Satelliten, Sonden, Raumfahrt-Instrumenten und -experimentieranlagen auf 4.200 Quadratmeter verdreifacht. Das hochkomplexe Zentrum ist für rund 45 Millionen Euro in zwei Jahren Bauzeit errichtet worden. Herzstück des ITC ist der große "Cleanroom." Unter Reinraumbedingungen verschiedener "Sauberkeitsklassen" - von ISO 8 bis ISO 5 - findet die Schlussintegration der Satelliten auf einer Grundfläche von rund 2.100 Quadratmetern statt.

Vier so genannte seismische Blöcke, jeder 150 Tonnen schwer, "entkoppeln" spezielle Integrationstische vom Gebäude und sorgen für eine absolut erschütterungsfreie Umgebung für die Montage optischer Instrumente. Eine computergesteuerte Ventilator- und Filtermatrix an der Südseite des Reinraums, erzeugt Luftströmungsprofile, die adaptiv auf die Belegung des Raumes eingestellt werden können. Dieses Konzept ermöglicht erstmalig in Europa die Realisierung unterschiedlicher Reinraumklassen in einer einzigen Halle ohne störende Zwischenwände oder Vorhänge.

Reinraum im Integrated Technology Centre (ITC) von Airbus in Immenstaad Reinraum im Integrated Technology Centre (ITC)
von Airbus D&S in Immenstaad

Die Halle gewährleistet in einem großen Teil die derzeit höchstmögliche Luftgüte von ISO-5. Dies wird durch ein wandhohes Filtersystem ermöglicht, welches das gesamte Luftvolumen des Reinraums (900.000 m³) bis zu 60 mal pro Stunde umwälzt.
Zum Zeitpunkt der Aufnahme (Anfang 2019) befanden sich die zwei Sentinel 6-Satelliten (Vordergrund), Sentinel-2C (senkrecht stehend, rot) und der Satellit EarthCare (Hintergrund, gelb) in der Halle.

Quelle: Airbus

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