Lexikon der Fernerkundung

Genetrix

Syn. WS-119L; Bezeichnung für ein früheres Projekt der US-Luftwaffe, bei dem hochfliegende Ballone mit Spionagekameras in den Strahlstrom der Atmosphäre eingebracht wurden. Sie trieben dort in 15 - 30 km Höhe – damit außerhalb der Reichweite von damaligen Kampfflugzeugen - von Westen nach Osten über Osteuropa, die Sowjetunion und das kommunistische China.

Im Januar und Februar 1956 wurden insgesamt 516 Ballone von den 5 Startplätzen Gardermoen (Norwegen), Evanton (Schottland), Oberpfaffenhofen und Giebelstadt (Westdeutschland) und Incirlik (Türkei) gestartet. Nachdem sie den internationalen Luftraum über dem westlichen Pazifik erreicht hatten, wurden die Kameras abgetrennt und schwebten an einem Fallschirm in Richtung Erde. Flugzeuge des Typs C-119 fingen die Kameras dann mit einem speziellen Haken ein. 54 wurden geborgen, lediglich 31 lieferten brauchbare Fotos.

Zahlreiche Ballons wurden abgeschossen oder vom Kurs abgetrieben. MiG-Kampfpiloten hatten gelernt, dass bei Sonnenaufgang die Ballons in tiefere Höhen und damit in Schussdistanz abgesunken waren, da in der kalten Nachtluft das Ballongas abkühlte, dichter wurde und den Auftrieb verringerte. Die Flüge führten zu vielen diplomatischen Protesten, sodass Präsident Eisenhower das Programm noch im Februar 1956 beendete.

Technologisch konnte das Projekt WS-119L auf vorangegangene wissenschaftliche und militärische Programme zurückgreifen, wie Moby Dick, Skyhook, Mogul und Grandson. Das Bergungsverfahren des Genetrix-Projekts wurde später erfolgreich im Rahmen des Aufklärungssatellitenprogramms Corona eingesetzt.

Die vielen vermeintlichen UFO-Sichtungen um die Mitte des 20. Jahrhunderts gehen möglicherweise auf die Ballonaktivitäten all dieser Programme zurück.

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