Lexikon der Fernerkundung

SAR-Lupe

Deutsches Satellitenaufklärungssystem aus fünf identischen Kleinsatelliten sowie einer Bodenstation zur Satellitenkontrolle und zur Bildauswertung bestehend. Als erst drittes System mit Radartechnik (nach den USA und Russland) können wetter- und tageszeitunabhängig hochauflösende Bilder von jedem Punkt der Erde gewonnen werden. Inzwischen verfügen auch Japan und Italien über solche Systeme.

Der Name „Lupe” kommt von der Fähigkeit, besonders interessante Ziele mit deutlich höherer Auflösung aufzunehmen. Nach Herstellerangaben ist dies bislang einmalig. Dies wird ermöglicht u. a. durch Kombination der SAR-Technik (möglicherweise auch mit zwei oder mehr Satelliten gleichzeitig) und des Spot-light-Manövers im Verbund mit der bildbearbeitenden Software, die die Parameter zusammenfasst.

Der Zugriff auf satellitengestützte Aufklärungssensoren trägt entscheidend zur Verbesserung der politischen und militärischen Urteils-, Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit, aber auch zur Planung und Durchführung von Einsätzen der Streitkräfte bei.

Für die Bundeswehr als Nutzer entscheidend sind die unter 1 m liegende Auflösung, die spezifischen Vorteile des Radarsensors und die hohe Einsatzflexibilität des Systems durch eine Kommunikationsverbindung zwischen den Satelliten, die es ermöglicht, jederzeit die Auftragsdurchführung ihrem aktuellen Informationsbedarf anzupassen. Dies gewährleistet eine durchschnittliche Systemantwortzeit von ca. elf Stunden, d.h. ein Bild eines beliebigen Punktes der Erde liegt im Mittel elf Stunden nach Vorliegen des Auftrags in der Satellitenkontrolle vor.

Die Satelliten wurden in den Jahren 2006 bis 2008 mit russischen Kosmos-3M Trägerraketen von Plesetsk (südl. Archangelsk) aus ins All gebracht, der Start des ersten Exemplars war am 19. Dezember 2006 erfolgreich, der letzte am 22. Juli 2008. Die Bodenstation befindet sich in Gelsdorf bei Bonn. Benutzbar ist das System seit 2007, seine volle Leistungsfähigkeit wurde 2008 erreicht. Alle Satelliten sind auch nach der 2001 vertraglich vereinbarten Missionsdauer bis heute (Februar 2024) funktionsfähig und werden von OHB betrieben.

SAR-Lupe SAR-Lupe

Das SAR-Lupe System besteht aus fünf baugleichen Satelliten, die jeweils in einem Abstand von sechs Monaten gestartet wurden. Das System dient der deutschen Bundeswehr als nationales Aufklärungssystem zur Überwachung von Krisengebieten. Mit seinem hochauflösenden Radar garantiert SAR-Lupe kontinuierliche, weltweite Aufklärung in höchster Bildqualität, unabhängig von Wetter sowie Tages- und Nachtzeit.

Quelle: DLR

Das Gewicht eines einzelnen Satelliten beträgt ca. 720 kg, seine Größe wird mit 4 × 3 × 2 m angegeben. Die geschätzte Lebensdauer beträgt mindestens 10 Jahre, bei einer erwarteten Verlässlichkeit von 97 % pro Jahr. Die Satelliten kreisen in drei verschiedenen Bahnebenen auf polnahen Umlaufbahnen mit einer Inklination von 98 Grad und einer mittleren Bahnhöhe von 500 km.

Die Satelliten benutzen ein Synthetic Aperture Radar (SAR), mit dem von jedem Licht- und Wetterverhältnis unabhängig Bilder gewonnen werden können. Die SAR-Technik erlaubt durch mehrfaches Aufnehmen eines Zieles aus verschiedenen Winkeln und entsprechender Nachbearbeitung der Daten eine erheblich höhere Auflösung als ein vergleichbares normales Radar. Radartechnik hat gegenüber Optik neben der Wetterunabhängigkeit noch weitere Vorteile für die militärische Aufklärung: So können Höhenunterschiede besser gemessen und Bewegungsgeschwindigkeiten bestimmt werden. Da Radarwellen von Wasser und Metall besonders gut reflektiert werden, können Menschen und technische Geräte (z. B. Fahrzeuge oder auch Minen) besonders gut erkannt werden. Teilweise kann auch durch Bäume oder Tarnnetze hindurch aufgeklärt werden. Jedoch ist es technisch zumindest möglich, mit Hilfe eines Störsenders das Radar zu behindern oder gar zu blockieren.

Die Herstellung des SAR-Lupe Systems unterliegt einem Konsortium europäischer Unternehmen, angeführt von der Bremer OHB-System AG, der auch die Gesamtleitung obliegt und die das Satellitenbodensegment betreibt. Die in Gelsdorf bei Bonn errichtete Bodenstation ist unterteilt in zwei Segmente, das Nutzer- (NBS) und das Satelliten-Bodensegment (SBS). Ersteres übernimmt im Wesentlichen die Zielauswahl und Auswertung der Bilder, das SBS kümmert sich um die technische Steuerung, Datenaustausch und Bilderzeugung. Der Satellit nimmt selbst keine Vorverarbeitung vor, sondern liefert nur Rohdaten.

Im Zuge des Projekts ESGA (Europäisierung der satellitengestützten Aufklärung), das anteilig von Deutschland und Frankreich finanziert wird, werden die technischen Voraussetzungen geschaffen, um Frankreich eine Mitnutzung des deutschen Radarsystems SAR-Lupe zu ermöglichen. Deutschland erhält von Frankreich im Gegenzug den Zugriff auf das optische System HELIOS II. Die Nutzung der beiden Satellitensysteme im Verbund gilt als erster Meilenstein für eine europäische strategische Aufklärung. Die Verteidigungsministerien von Frankreich und Deutschland hatten ein entsprechendes Abkommen im Rahmen eines deutsch-französischen Gipfeltreffens 2002 in Schwerin beschlossen.

Die Bundeswehr wird für ca. 800 Mio. Euro drei neue Satelliten als Nachfolger von SAR-Lupe anschaffen. Die Projekt-Gesamtleitung liegt wiederum bei der Bremer Firma OHB-System AG. Das neue System mit dem Namen SARah soll in Gänze ab 2023 nutzbar sein und die bisherigen SAR-Lupe-Satelliten nach Ablauf von deren Lebensdauer ersetzen. Die drei neuen Satelliten (zwei mit der bisherigen Radartechnik, einer mit einem sog. Phased-Array-Radar) werden größer sowie leistungsfähiger sein. Zudem soll für 170 Mio. Euro auch ein Satellit für die optische Aufklärung angeschafft werden, um die diesbezügliche Abhängigkeit von Frankreich zu verringern.

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