Lexikon der Fernerkundung

SAR

Engl. Akronym für Synthetic Aperture Radar, dt. Radarsystem mit synthetischer Apertur; es handelt sich um ein aktives Mikrowellenabbildungsverfahren, das üblicherweise von Satelliten oder luftgestützten Plattformen eingesetzt wird. Anfänglich für militärische Anwendungen entwickelt, hat sich SAR heute auch in der zivilen Erdbeobachtung fest etabliert.

SAR ist eine Art der aktiven Datenerfassung, bei der ein Sensor seine eigene Energie erzeugt und dann die Menge dieser Energie aufzeichnet, die nach der Wechselwirkung mit der Erde zurückgeworfen wird. Während optische Bilder der Interpretation eines Fotos ähneln, erfordern SAR-Daten eine andere Denkweise, da das Signal stattdessen auf Oberflächenmerkmale wie Struktur und Feuchtigkeit reagiert.

Was ist synthetisch an SAR?

Die räumliche Auflösung von Radardaten steht in direktem Zusammenhang mit dem Verhältnis zwischen der Wellenlänge des Sensors und der Länge der Sensorantenne. Je länger die Antenne bei einer bestimmten Wellenlänge ist, desto höher ist die räumliche Auflösung. Da Radarwellen gegenüber dem Licht eine viel größere Wellenlänge besitzen, müssten bei Radarsystemen unrealistisch große Antennen verwendet werden, um nur annähernd die räumliche Auflösung zu erhalten die den optischen Systemen eigen ist. Von einem Satelliten im Weltraum aus, der mit einer Wellenlänge von etwa 5 cm arbeitet (C-Band-Radar), würde man für eine räumliche Auflösung von 10 m eine Radarantenne von etwa 4.250 m Länge benötigen. (Das sind über 47 Fußballfelder!)

Eine Antenne dieser Größe ist für einen Satellitensensor im Weltraum nicht praktikabel. Daher haben sich Wissenschaftler und Ingenieure eine clevere Lösung einfallen lassen: die synthetische Apertur. Bei diesem Konzept wird eine Reihe von Aufnahmen von einer kürzeren Antenne kombiniert, um eine viel größere Antenne zu simulieren und so Daten mit höherer Auflösung zu erhalten.

Ein SAR-System nutzt die Tatsache, dass das Signal eines Geländeobjektes in mehr als nur einem Radarecho enthalten ist und während der Beobachtung einen typischen Phasenverlauf zeigt. Indem man die während der Flugbewegung des Sensors empfangenen Dopplersignale speichert und vergleicht, wird eine künstliche Antenne (synthetische Apertur) gebildet. Diese künstliche Antenne ist um ein Vielfaches länger als die physische Antenne, sie schärft die wirksame Strahl-Öffnung und verbessert die Auflösung im Azimut. So lässt sich eine ähnliche Auflösung wie bei optischen Instrumenten erreichen. Die zehn Meter lange SAR-Antenne der ERS-Satelliten erreichte dadurch das gleiche Auflösungsvermögen wie eine Antenne von 800 m Länge und lieferte im sog. Image-Mode Radarbilder der Land- bzw. Wasseroberfläche mit einer Bildpunktgröße von 30 × 30 m.

SAR-Prinzip SAR-Prinzip

Bei dem - hier auf einem Space Shuttle montierten - abbildenden Radarsystem mit synthetischer Apertur werden Mikrowellenimpulse seitlich zur Flugrichtung in Richtung Erdoberfläche gesendet und die von dort rückgestreuten Signale empfangen.

Quelle: Universität Karlsruhe, IHE

Die Rolle von Frequenz und Wellenlänge

Optische Sensoren wie der Operational Land Imager (OLI) von Landsat und das Multispectral Instrument (MSI) von Sentinel-2 sammeln Daten im sichtbaren, nahen Infrarot und im kurzwelligen Infrarot des elektromagnetischen Spektrums.

Die aktiven Radarsensoren senden längere Wellenlängen im Millimeter- bis Metermaßstab (Mikrowellen) zur Erdoberfläche und messen die reflektierten Strahlen. Ihr Vorteil gegenüber visuellen Systemen ist die Einsetzbarkeit auch bei Dunkelheit und Wolkenbedeckung.

Die verschiedenen Wellenlängen von SAR werden oft als Bänder bezeichnet, mit Buchstabenbezeichnungen wie X, C, L und P. In der nachstehenden Tabelle ist das Band mit der zugehörigen Frequenz, Wellenlänge und der für dieses Band typischen Anwendung aufgeführt.

SAR-Sensoren werden entsprechend der verwendeten Wellenlänge benannt. So war AMI auf dem ERS-1-Satelliten ein C-Band-SAR, SIR-C/X-SAR ein multifrequentes SAR in den Bereichen des L-, C- und X-Bandes. Im Gegensatz zu optischen Sensoren ist die räumliche Auflösung von SAR Sensoren im Prinzip nicht von der Flughöhe abhängig.

Bänder mit zugehörigen Frequenzen, Wellenlängen und für das jeweilige Band typische Anwendung
Band Frequenz Wellenlänge Typische Aufgaben
Ka 27 - 40 GHz 1,1 - 0,8 cm Seltener Einsatz für SAR (Flughafenüberwachung)
K 18 - 27 GHz 1,7 - 1,1 cm selten verwendet (H2O-Absorption)
Ku 12 - 18 GHz 2,4 - 11,7 cm Seltener Einsatz für SAR (Satellitenaltimetrie)
X 8 - 12 GHz 3,8 - 2,4 cm SAR mit hoher Auflösung (Überwachung von Städten, Eis und Schnee, geringes Eindringen in die Vegetation, schneller Kohärenzabfall in bewachsenen Gebieten)
C 4 - 8 GHz 7,5 - 3,8 cm SAR-Arbeitspferd (globale Kartierung; Erkennung von Veränderungen; Überwachung von Gebieten mit geringer bis mäßiger Durchdringung; höhere Kohärenz); Eis, Meeresschifffahrt
S 2 - 4 GHz 15 - 7,5 cm Geringe, aber zunehmende Nutzung für SAR-gestützte Erdbeobachtung; Überwachung der Landwirtschaft (NISAR wird einen S-Band-Kanal tragen; erweitert C-Band-Anwendungen auf höhere Vegetationsdichte)
L 1 - 2 GHz 30 - 15 cm SAR mit mittlerer Auflösung (geophysikalische Überwachung; Biomasse- und Vegetationskartierung; hohe Eindringtiefe, InSAR)
P 0,3 - 1 GHz 100 - 30 cm Biomass Mission. Das erste weltraumgestützte P-Band-SAR wird 2023 gestartet werden; Vegetationskartierung und -bewertung. Experimentelles SAR.
Quelle: NASA EarthData

Die Wellenlänge ist ein wichtiges Merkmal, das bei der Arbeit mit SAR zu berücksichtigen ist, da sie bestimmt, wie das Radarsignal mit der Oberfläche interagiert und wie weit ein Signal in ein Medium eindringen kann. Ein X-Band-Radar, das mit einer Wellenlänge von etwa 3 cm arbeitet, kann zum Beispiel nur sehr wenig in Laubwälder eindringen und interagiert daher hauptsächlich mit den Blättern in den Baumkronen. Ein L-Band-Signal hingegen hat eine Wellenlänge von etwa 23 cm und dringt besser in den Wald ein und ermöglicht eine stärkere Interaktion zwischen dem Radarsignal und großen Ästen und Baumstämmen. Die Wellenlänge wirkt sich nicht nur auf die Eindringtiefe in Wälder aus, sondern auch auf andere Landbedeckungsarten wie Boden und Eis.

Wissenschaftler und Archäologen nutzen beispielsweise SAR-Daten, um versunkene Städte und stadtähnliche Infrastrukturen, die im Laufe der Zeit durch dichte Vegetation oder Wüstensand verdeckt wurden, "aufzudecken". Informationen über den Einsatz von SAR in der Weltraumarchäologie (engl. space archaeology) finden Sie in den Artikeln Peering through the Sands of Time und Secrets beneath the Sand des NASA Earth Observatory.

Polarisation und Streuungsmechanismen

Radar kann auch Signale in verschiedenen Polarisationsarten erfassen, indem es die analysierte Polarisation sowohl im Sende- als auch im Empfangsweg auswertet. Die Polarisation bezieht sich auf die Ausrichtung der Ebene, in der die übertragene elektromagnetische Welle schwingt. Obwohl die Ausrichtung in jedem beliebigen Winkel erfolgen kann, senden SAR-Sensoren in der Regel linear polarisiert. Die horizontale Polarisation wird mit dem Buchstaben H und die vertikale Polarisation mit V gekennzeichnet.

Der Vorteil von Radarsensoren besteht darin, dass die Signalpolarisation sowohl beim Senden als auch beim Empfangen genau gesteuert werden kann. Signale, die in vertikaler (V) Polarisation ausgesendet und in horizontaler (H) Polarisation empfangen werden, werden mit VH gekennzeichnet. Ein Signal, das in horizontaler (H) Polarisation ausgestrahlt und in horizontaler (H) Polarisation empfangen wird, wird mit HH gekennzeichnet, usw. Die Untersuchung der Signalstärke dieser verschiedenen Polarisationen liefert Informationen über die Struktur der abgebildeten Oberfläche, die auf den folgenden Arten der Streuung beruhen: raue Oberfläche, Volumen und Double Bounce (siehe Abbildung unten).

Relative Streustärke in Abhängigkeit von der Polarisation Relative Streustärke in Abhängigkeit von der Polarisation

Starke Streuung in HH deutet auf eine vorherrschende Double-Bounce-Streuung hin (z. B. stämmige Vegetation, künstliche Strukturen), während starke VV auf raue Oberflächenstreuung hinweist (z. B. nackter Boden, Wasser), und räumliche Variationen in der Doppelpolarisation zeigen die Verteilung von Volumenstreuern an (z. B. Vegetation und Bodenarten mit hoher Durchlässigkeit wie Sand oder andere trockene poröse Böden).

Quelle: The SAR Handbook (NASA)

Es ist wichtig zu beachten, dass sich der Anteil des Signals, der den verschiedenen Streuungstypen zugeordnet wird, in Abhängigkeit von der Wellenlänge ändern kann, da die Wellenlänge die Eindringtiefe des Signals verändert. Ein C-Band-Signal dringt beispielsweise nur in die obersten Schichten der Baumkronen eines Waldes ein und erfährt daher hauptsächlich Rauhigkeitsstreuung, gemischt mit einem begrenzten Anteil an Volumenstreuung. Ein L-Band- oder P-Band-Signal hingegen dringt viel tiefer ein und erfährt daher eine stark verstärkte Volumenstreuung sowie eine zunehmende Menge an Double-Bounce-Streuung, die durch den Baumstamm verursacht wird (siehe folgende Abb. der Baumkronendurchdringung).

Empfindlichkeit von SAR-Messungen Empfindlichkeit von SAR-Messungen

Empfindlichkeit von SAR-Messungen im Hinblick auf die Waldstruktur und das Eindringen in das Kronendach bei verschiedenen Wellenlängen, die für luft- oder weltraumgestützte Fernerkundungsbeobachtungen der Landoberfläche verwendet werden.

Quelle: The SAR Handbook (NASA)

Aktuelle satellitengestützte SAR-Systeme verwenden Wellenlängen von ca. 3 cm (X-Band), 6 cm (C-Band), 10 cm (S-Band) und 25 cm (L-Band). Viele natürliche Oberflächen (Ozean, landwirtschaftliche Flächen, Vegetation) besitzen eine Rauigkeitsstruktur in diesem Maßstabsbereich und sind deshalb in SAR-Bildern gut unterscheidbar. Während optische Multi-, Super- oder Hyperspektral-Systeme vor allem die chemische Natur von Materialien anhand ihrer Reflektionsspektren erfassen, "sehen" SAR-Systeme wegen ihrer cm-Wellenlängen vor allem physikalische Eigenschaften. Die Helligkeit eines Objekts im SAR-Bild hängt im Wesentlichen von seiner Rauigkeit und seiner Dielektrizitätskonstante ab.

Wegen der verwendeten Wellenlängen ist SAR, neben Lidar, das einzige bildgebende Erderkundungsverfahren, das teilweise in Objekte eindringen kann und damit z.B. Informationen über Baumbestand und Biomasse in Wäldern liefert. Als größtes Potenzial von SAR gilt die Kohärenz des Abbildungsverfahrens. Jedes SAR-Pixel ist eine komplexe Zahl, die Amplitude und Phase der empfangenen Welle repräsentiert. Dies erlaubt die Nutzung interferometrischer oder tomographischer Verfahren zur Bestimmung der geometrischen Positionen von Streuern und somit zur Gewinnung von DEMs, Dichteprofilen von Wäldern, zur Bestimmung von Biomasse und der Messung von Bewegungen und Deformationen mit Genauigkeiten von besser als 1 mm/a.

etna_still ERS-Daten hauchen dem Ätna Leben ein

Zwischen 1992 und 2000 wurden SAR-Daten zur Herstellung von 100 Interferogrammen verwendet. Sie sind die Grundlage der nebenstehenden Animation. Erkennbar sind Oberflächenbewegungen des Ätnä um Beträge bis zu 14 cm. Eruptionen bewirken eine Druckentlastung, ein Ausatmen und als Folge gewöhnlich ein Zusammensinken des Ätna.

Eine Wiederbefüllung der Magmakammer bewirkt die gegenläufige Bewegung. Die Wissenschaftler möchten die Beziehung zwischen der Eruptionsdynamik und der Oberflächen-deformation besser verstehen lernen.

Zur Animation auf Abbildung klicken

Quelle: ESA

SAR-Daten helfen beispielsweise dem Eisdienst des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie bei der Beratung von Schiffen bei Fahrten in eisbedeckte Gewässer. In den Polargebieten dienen die ERS-Daten zur Bestimmung der Fließgeschwindigkeit polarer Gletscher, der Drift des Meereises, des Grades der Schneebedeckung oder der Bildung von "frischem Eis" in den Schelfgebieten, die über Massenbilanzierungen langfristig Aufschluss über klimabedingte Veränderungen geben können.

Einsatzfelder von SAR-Daten

Die Entwicklung des Synthetischen Aperture Radar durch Carl Wiley ermöglichte erst die Nutzung von Radar-Sensoren auch aus dem Weltall. Die erste, allerdings nur kurzzeitige Mission mit einem bildgebenden Radar-Sensor war Ende 1970er Jahre der amerikanische Satellit Seasat. Danach wurde eine Vielzahl von satellitengestützten Radarsensoren entwickelt und erfolgreich zur Beobachtung der Erde in verschiedenen Wellenlängenbereichen eingesetzt.

Als Meilenstein galt dabei der europäische Fernerkundungssatellit ERS-1, der mit einem C-Band SAR-Sensor 1991 seine Arbeit begann. 1995 folgte ERS-2, eine nahezu baugleiche Kopie von ERS-1 auf demselben Satellitenorbit. Beide Satelliten konnten so in einem Abstand von 24 h dasselbe Gebiet der Erde beobachten. Mit dieser Tandem-Konfiguration konnte man erstmals mittels SAR-Interferometrie beinahe weltweit aus SAR-Daten Digitale Geländemodelle ableiten. Diese Konzepte zur weltweit homogenen und hochgenauen DGM-Bestimmung wurden fortgesetzt durch die von ESA und NASA gemeinsam betriebenen Missionen Shuttle Radar Topography Mission (SRTM) sowie die deutsche TanDEM-X Mission. Letztere ist eine Erweiterung der TerraSAR-X Mission, wobei über die Nutzung von zwei beinahe gleichzeitig, jedoch von unterschiedlichen Orbits aufgenommenen SAR-Bildern, eine DGM-Genauigkeit von wenigen Meteren erreicht wird.

Weitere aktuelle Missionen (2020) im zivilen Bereich sind u.a. Sentinel-1a (ESA 2014), CosmoSkymed (Italien 2007, Dual Use), PAZ (Spanien 2018), Radarsat-2 (Kanada 2007) und ALOS-2 (Japan 2014).

Weitere Informationen:


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