TanDEM-X
Engl. Akronym für TerraSAR-X add-on for Digital Elevation Measurement; deutscher Radarsatellit, der gemeinsam mit dem Satelliten TerraSAR-X mittels SAR die Erdoberfläche stereographisch vermisst. Sein Start erfolgte am 21.6.2010 mit der russisch-ukrainischen Trägerrakete Dnjepr vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan. Die Kosten der Mission liegen bei ca. € 85 Mio.
Zusammen mit dem nahezu baugleichen Satelliten TerraSAR-X umkreist TanDEM-X im engen Formationsflug die Erde in 514 km Höhe. Der Abstand beträgt dabei einige hundert bis minimal 200 m. Durch diese Konstellation ist es möglich, die komplette Landoberfläche der Erde (150 Millionen Quadratkilometer) innerhalb von nur drei Jahren vollständig zu vermessen. Ziel ist die Erstellung eines globalen digitalen Geländemodells (WorldDEMTM) mit einer noch nicht erreichten Genauigkeit. Für weite Teile der Erde existieren derzeit nur grobe, uneinheitliche oder lückenhafte Höhenmodelle aus unterschiedlichen Datenquellen und Erhebungsmethoden. TanDEM-X schließt diese Lücken und liefert ein homogenes Höhenmodell als unentbehrliche Grundlage für viele kommerzielle Anwendungen und wissenschaftliche Fragestellungen. Hierzu umkreisen die zwei Satelliten in rund 500 Kilometern Höhe die Erde und tasten die Oberfläche mit Radargeräten ab. Der erste der beiden Satelliten, TerraSAR-X, arbeitet bereits seit 2007 erfolgreich im All.
Mittlerweile (2021) haben beide Satelliten ihre Lebensdauer von fünfeinhalb Jahren deutlich überschritten. Dennoch sind ihre Radarsysteme noch in ausgezeichnetem Zustand und arbeiten auch nach elf, beziehungsweise vierzehn Betriebsjahren noch absolut stabil. Immer noch liefern sie zuverlässig hochqualitative Radarbildprodukte. Auch ihre Treibstoffvorräte und ihre Batteriekapazitäten erlauben aus heutiger Sicht einen Satellitenbetrieb ohne drastische Einschränkungen für mehrere zusätzliche Jahre.
Für ein so genanntes Zwölf-Meter-Raster, das etwa der Breite einer Straße entspricht, liefert das System Höheninformationen, die bis auf zwei Meter genau sind. Für die Lageregelung musste für beide Satelliten ein neues Verfahren entwickelt werden. Dies geschieht über Magnet-Torquer, d.h. unter Nutzung eines künstlichen Magnetfelds und des Magnetfelds der Erde. Ähnlich wie TerraSAR verfügt TanDEM-X über ein abgestuftes Auflösungsvermögen von 1 m, 3 m und 16 m, bei einer Abtastbreite von 10, 30 und 100 km.
Die Technik hinter TanDEM-X
Nil bei Luxor - TanDEM-X Geländemodell (DLR)Im Gegensatz zu optischen Verfahren bieten Radare mit synthetischer Apertur (engl. Synthetic Aperture Radar, SAR) den Vorteil, dass sie unabhängig von der Wolkenbedeckung und Sonneneinstrahlung großflächige und hochaufgelöste Aufnahmen erzeugen können. Zusätzlich steigert die bistatische Interferometrie, bei der zwei Satelliten im Formationsflug unterwegs sind, im Vergleich zu konventionellen Stereo-Verfahren die Höhengenauigkeit. Dazu sendet während einer Aufnahme immer nur einer der beiden Satelliten, wohingegen beide die von der Erdoberfläche reflektierten Echosignale empfangen.
Aufgrund leicht abweichender Orbitpositionen ergeben sich bei den Satelliten Entfernungsunterschiede zu einem Punkt auf der Erdoberfläche, die mittels Interferometrie – also die Auswertung der Radarwellen-Phase – millimetergenau bestimmt werden können. Aus diesen ermitteln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DLR-Bodensegments mit einem aufwändigen Rechenverfahren die Höhe der Erdoberfläche. Hierbei ist äußerste Präzision gefragt: Der Abstand der Satelliten muss mit GPS-Empfängern millimetergenau erfasst und die Radarsysteme auf Bruchteile von Picosekunden (das entspricht bei zwei Uhren einem Gangunterschied von etwa einer Sekunde in 100.000 Jahren) synchronisiert werden. Sie müssen sogar relativistische Effekte berücksichtigen.
Das Ergebnis ist ein digitales Höhenmodell (engl. Digital Elevation Model, DEM). Es beinhaltet die Höheninformation der Geländepunkte in einem regelmäßigen Raster von 12 Metern mal 12 Metern. In Bezug auf die erreichte Genauigkeit hat die Mission TanDEM-X alle Erwartungen deutlich übertroffen: Der absolute Höhenfehler beträgt etwa einen Meter und liegt damit um eine Größenordnung unterhalb der ursprünglichen Spezifikation von zehn Metern. Die Zahl der Lücken im Datensatz liegt auch weit unter der Spezifikation und der Abdeckungsgrad beträgt mehr als 99,89 Prozent.
800 Millionen Kilometer hat TanDEM-X mittlerweile zurückgelegt und dabei mit TerraSAR-X mehr als zweimal die gesamte Landmasse der Erde abgetastet. Dabei fliegen die Satelliten in einer Helix umeinander und blicken zum Teil aus einem Abstand von nur 120 Metern zueinander auf die Erde. Schon alleine mit diesem ersten Formationsflug zweier Satelliten im Weltall hat die Mission erfolgreich Neuland betreten. Um die Höhen und Tiefen der 150 Millionen Quadratkilometer Erdoberfläche exakt berechnen zu können, müssen die Wissenschaftler den Abstand der beiden Satelliten bis auf einige Millimeter genau bestimmen. Und auch die Uhren an Bord der Satelliten, die genau messen, wie lange die Radarstrahlen für ihren Weg zur Erde und zurück benötigen, sind bis auf eine Billionstel Sekunde synchronisiert.
Die ersten berechneten Höhenmodelle von TanDEM-X decken die sogenannten einfacheren Gebiete ab - Landschaften, für die Daten von nur zwei Überflügen ausreichen, um finale Höhenmodelle berechnen zu können. Dazu gehören große Flächen in Australien, Nord- und Südamerika, Russland und Afrika. Dann gibt es die schwierigen, anspruchsvollen Gebiete mit steilen Bergen wie den Alpen oder dem Himalaya zum Beispiel oder halt die Kamtschatka-Halbinsel mit ihrer zerklüfteten Vulkanlandschaft. Für diese Aufnahmen veränderten die DLR-Experten des Projekt-Teams im Sommer 2013 die Flugbahnen der beiden Satelliten und ließen sie von da an im Uhrzeigersinn umeinander kreisen. Damit änderte sich auch die Blickrichtung der Satelliten auf die Erde. Mit dritten und vierten Überflügen werden nun die letzten notwendigen Daten für das neue globale Höhenmodell gesammelt.
Noch während die Satelliten mit ihren Radarstrahlen die Erde kontinuierlich abtasten, entstanden in einem weitgehend automatisierten Prozess die ersten kleinen digitalen Höhenmodelle (DEM; Digital Elevation Model) von 30 mal 50 Kilometer großen Gebieten. Schon diese vorläufigen mehr als 350 000 DEM-Datensätze stellen die Erde mit bis zu zwei Metern Genauigkeit dar. Seit Ende 2013 werden diese Modelle in einem finalen Verarbeitungsschritt zu größeren Mosaiken zusammengefügt. Mittlerweile sind nicht nur 2500 Terabyte Daten zusammengekommen, sondern auch schon mehr als ein Fünftel der globalen Landfläche zu finalen Modellen verarbeitet. So entsteht nach und nach die neue Topographie der Erde. Die eingesetzte Radartechnologie bietet dabei einen ganz entscheidenden Vorteil: Die Satelliten können die Erde mit ihren Sendepulsen weitgehend unabhängig von Wetterverhältnissen und rund um die Uhr bei jeder Tages- bzw. Nachtzeit abtasten.
Die finalen Höhenmodelle werden als sogenannte Kacheln mit einer Ausdehnung von etwa 100 mal 100 Kilometern bzw. ein Grad in geographischer Länge und Breite erzeugt und ausgeliefert. Als erste Beispiele stehen zwei solcher Kacheln - die Flinders Ranges in Australien und der Badlands National Park in den USA - auf dem TanDEM-X-Science-Server zur Verfügung.
Die entstandenen Satellitenaufnahmen lassen sich vielfältig nutzen: Mit den Aufnahmen können beispielsweise hydrologische Abflussmodelle simuliert und Karten von potenziellen Überschwemmungsgebieten erstellt werden, Veränderungen nach Vulkanausbrüchen und Erdbeben bilden sich ebenso ab wie das Abschmelzen von Gletschern und Polkappen. Auch bei Katastrophenfällen sind die Radaraufnahmen für die Helfer vor Ort wichtig, um beispielsweise überflutete Gebiete oder zerstörte Verkehrswege und Gebäude aus Satellitenbildern analysieren und berücksichtigen zu können. Sind die Aufnahmen für das globale Höhenmodell abgeschlossen, soll TanDEM-X dafür genutzt werden, neue Techniken wie die Erfassung von Meeresströmungen oder Vegetationsstrukturen zu demonstrieren.
TanDEM-X Animation ![]() Zur Animation auf Abbildung klicken Quelle: DLR |
TanDEM-X wird im Auftrag des DLR mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie als Projekt in öffentlich-privater Partnerschaft (Public Private Partnership, PPP) mit der Astrium GmbH unter dem Kennzeichen 50 EP 0603 durchgeführt. Das DLR ist verantwortlich für die wissenschaftliche Nutzung der TanDEM-X-Daten, die Planung und Durchführung der Mission, die Steuerung der beiden Satelliten und die Erzeugung des digitalen Höhenmodells. Dazu entwickelt es auch die notwendigen Anlagen am Boden, das so genannte Bodensegment. Die wissenschaftliche Leitung obliegt dem DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme in Oberpfaffenhofen. Die Astrium GmbH hat den Satelliten gebaut und ist an den Kosten für Entwicklung und Nutzung beteiligt. Wie bei TerraSAR-X ist die Firma GEO-Information Services (ehem. Infoterra GmbH), ein Programmbereich der Airbus Defence and Space, verantwortlich für die kommerzielle Vermarktung der TanDEM-X-Daten.
![]() | Ostküste Grönlands mit TanDEM-X-Daten Die drei mit TanDEM-X-Daten erstellten Darstellungen zeigen einen Teil der Ostküste Grönlands am 11. Januar 2011. Die vielen sich wiederholenden Farbverläufe im Interferogramm (Abb. oben) rühren von den großen Höhenvariationen von ca. 1.700 m her. Die Daten aus dem Interferogramm werden in Höhenwerte umgerechnet, kartographisch ausgerichtet und können anschließend in einer künstlichen 3-D-Ansicht betrachtet werden (Abb. Mitte). Gut zu erkennen sind helle Ausflüsse, die sich von den Hängen in das flache, zugefrorene Wasser ergießen. In der Abbildung unten wurden die Höheninformationen noch zusätzlich farbcodiert, sodass der Eindruck einer Höhenschichtenkarte entsteht. Quelle: DLR |
Weitere Informationen:
- Radar Constellation (TerraSAR-X / PAZ) (Airbus Defence & Space)
- TanDEM-X: Die Erde in drei Dimensionen (DLR)
- Streifen um Streifen. Stück für Stück. (DLR)
- TanDEM-X Profil (CEOS EO Handbook)
- Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme (DLR)
- Herrscher über 150 Millionen Quadratkilometer (WAMS 2016)
- Satelliten-Tandem auf Erfolgskurs (Zink, Manfred und Moreira, Alberto; DLR magazin 148)
- Globale TanDEM-X-Waldkarte verfügbar (DLR)