Lexikon der Fernerkundung

GOCE

Engl. Akronym für Gravity Field and Steady-State Ocean Circulation Explorer; Satellit der ESA zur präzisen Modellierung des irdischen Schwerefeldes und des Geoids. Der Start erfolgte am 17. März 2009 mit einer russischen Rockot-Rakete vom russischen Weltraumbahnhof Plesetsk aus. GOCE umkreiste die Erde so nah wie möglich - in nur 260 km Höhe -, um seine Empfindlichkeit gegenüber Schwankungen im Schwerefeld der Erde mit noch nie dagewesener Genauigkeit und räumlicher Auflösung zu maximieren. Die Mission ist seit 2013 beendet.

Das Hauptinstrument des Forschungssatelliten ist ein 3-Achsen-Schweregradiometer, bestehend aus je 2 hochempfindlichen Beschleunigungssensoren pro Achse im Abstand von je 0,5 m. Die differentielle Beschleunigungsmessung ergibt die 2. Ableitung des Schwerepotentials (Eötvös-Tensor, Schweregradienten). Die sonnensynchrone polare Umlaufbahn des 5,3 Meter langen und ca. 1.100 kg schweren Satelliten wird mit Hilfe einer GPS-Antenne auf wenige cm genau bestimmt (satellite to satellite tracking). Sie verläuft extrem niedrig in etwa 260 km Höhe und besitzt eine Neigung von 96,5 Grad.

GOCE im All GOCE im All Quelle: ESA

Aus wissenschaftlicher Sicht bildete GOCE die Fortsetzung der Schwerefeldsatellitenmissionen CHAMP (Deutschland, 2000) und GRACE (USA/Deutschland, 2002). Durch die drei Missionen CHAMP, GRACE und GOCE zeichnet sich ein Qualitätssprung ab hinsichtlich Genauigkeit, Auflösung und globaler Überdeckung. Damit wird die Einbeziehung von Schwerefeldinformation auch für eine wachsende Zahl von geowissenschaftlichen Anwendungen interessant. Gute Beispiele sind die Bestimmung der dynamischen Meerestopographie zur Erfassung der Ozeanzirkulation oder die Beschreibung der Lithosphärenstruktur durch die Kombination von seismischen Ergebnissen mit Schwerefelddaten. Weitere Anwendungsbereiche sind die Bestimmung der Topographie des Meeresbodens und der Dicke des Eises auf den Polarmeeren sowie die Rekonstruktion der Dichte der großen Eisschilde.

Von den drei Missionen konnte GOCE die höchste räumliche Auflösung erreichen und Strukturen ab ca. 70 km Größe erfassen. GRACE hingegen zielte eher auf die Messung von zeitlichen Variationen im Schwerefeld.

Wissenschaftliche Ziele der GOCE-Mission:

Das Schwerefeld, das sich aus den GOCE-Daten ableiten lässt, spielt zweierlei Rollen in den Geowissenschaften: einmal entspricht das ermittelte Geoid einem hypothetischen Meeresspiegel im Ruhezustand (relevant für die Ozeanzirkulation, Meeresspiegelanstieg, Höhensysteme) und zweitens spiegelt die Gravitation Prozesse im Erdinnern (z.B. Massenänderungen, Sedimentierung, Entstehung von Grabenbrüchen).

Untersuchungsobjekte der GOCE-Mission Untersuchungsobjekte der GOCE-Mission Quelle: TU München

GOCE war die erste Kernmission der ESA im Rahmen ihres Erderkundungsprogramms „Living Planet“. Eine Serie hochspezialisierter Satelliten wird dabei gesicherte Daten über die in der Atmosphäre, in den Ozeanen und auf dem Festland ablaufenden Prozesse liefern sowie neue Erkenntnisse globaler Umweltveränderungen gewinnen. Diese dienen als Grundlage politischer, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und technologischer Entscheidungen.

Ursprünglich sollte der Satellit in Abhängigkeit von seinem Treibstoffvorrat nur 1,5 Jahre in der Umlaufbahn bleiben. Dass sein Treibstoff länger hielt, hängt mit der Sonne zusammen. Ist das Zentralgestirn relativ aktiv, dehnt sich die Erdatmosphäre leicht aus. Das beeinträchtigt den Satelliten in seinem niedrigen Orbit: Er wird leicht abgebremst und benötigt mehr Energie, um seine Bahn zu halten. Da die Sonne in den vergangenen Jahren aber sehr ruhig war, konnte GOCE treibstoffsparend fliegen.

Nachdem der Satellit seine geplante Einsatzzeit nahezu verdreifachte, hat er im November 2013 aufgrund von Treibstoffmangel seinen Dienst beendet. Über dem Südatlantik ist er in die dichtere Atmosphäre gesunken, dabei zerbrochen und großenteils verglüht, wobei auch einige kleinere Teile die Erdoberfläche erreichten.

GOCE hat mit seiner Mission eine hochgenaue Kartierung von Variationen des irdischen Schwerefeldes ermöglicht. Mit seinen Daten wurde es Wissenschaftlern möglich, die Moho (Kruste- / Mantelgrenze) hochaufgelöst in einer Karte darzustellen. Neben vielen weiteren Ergebnissen spürte GOCE auch Schallwellen auf, die von dem schweren Erdbeben in Japan vom 11. März 2011 ausgingen.

41 europäische Unternehmen arbeiteten bei der Realisierung des Satelliten zusammen. Die Führung hatte die italienische Thales Alenia Space. In Deutschland war EADS Astrium (Immenstaad) der Hauptauftragnehmer für die Satellitenplattform.

Das Europäische Satellitenkontrollzentrum ESOC in Darmstadt steuerte die Flugoperationen und übernahm die Missionskontrolle. Die Datenverarbeitung und Bereitstellung erfolgte im Europäischen Zentrum für Erdbeobachtung (integriert in ESRIN), in Frascati bei Rom. Die wissenschaftliche Datenauswertung wird im Auftrag der ESA von einem Konsortium aus zehn europäischen Universitäten und Forschungseinrichtungen durchgeführt. Es wirken Wissenschaftler aus Bern, Bonn, Delft, Graz, Kopenhagen, Mailand, München, Potsdam, Toulouse und Utrecht mit.

Weitere Informationen:


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