zivile Sicherheit und Fernerkundung
Viele Staaten nutzen verstärkt die Möglichkeiten veredelter Fernerkundungsdaten in Krisenfällen (z.B. bei zerstörten Infrastrukturen am Boden nach Erdbeben), und zur Unterstützung der zivilen und öffentlichen Sicherheit. Insbesondere die Verknüpfung von Luft- und Satellitenbilddaten mit anderen Informationen in Karten- und Analyseprodukten bietet z.B. für polizeiliche Anwendungen und für Aufgaben im Bevölkerungsschutz einen großen Mehrwert für die Entscheidungsfindung.
Innere oder öffentliche Sicherheit bezeichnet die Sicherheit von Gesellschaft und Staat gegenüber Kriminalität, Terrorismus und vergleichbaren Bedrohungen, die sich aus dem Inneren der Gesellschaft selbst heraus entwickeln. Im Bereich der zivilen Sicherheit entstehen Gefahrenlagen ebenfalls aus dem binnenstaatlichen Bereich, aber eher durch Katastrophen wie Hochwasser, Sturm oder Großunfall u. ä., oder es besteht ein Gefährungspotential alleine durch die räumliche Konzentration von Menschenmengen beispielsweise bei Großveranstaltungen wie Konzerten, Sportereignissen oder Kirchentagen. Die beiden Bereiche sind nicht immer klar voneinander zu trennen.
Sicherheitsaspekte sind eine der wesentlichen Grundvoraussetzungen für Lebensqualität, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für erfolgreiche Wertschöpfung in Staaten. So bezeichnet sie zum einen die Unversehrtheit der Rechtsordnung, der grundlegenden Einrichtungen des Staates sowie von Gesundheit, Ehre, Freiheit und Vermögen des einzelnen, umfasst zum anderen die Gesamtheit der meist ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des einzelnen in der Öffentlichkeit
Zivile Sicherheit wird als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden, an der sich sämtliche gesellschaftlichen Akteure auch beteiligen. Dazu gehören die Akteure der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr (Brandschutz, Rettungsdienst, Bevölkerungsschutz), die Polizei, nichtstaatliche Sicherheitsakteure (private Hilfsorganisationen, Betreiber von kritischen Infrastrukturen, private Sicherheitsdienstleister z. B. in Einkaufszentren) und nicht zuletzt auch die Bürgerinnen und Bürger selbst (z. B. im Rahmen der spontanen Hilfe während Katastrophenlagen).
Anwender von Sicherheitslösungen sind darüber hinaus auch die Betreiber Kritischer Infrastrukturen (zum Beispiel Energie- und Wasserversorger, Verkehrsbetriebe) sowie Unternehmen der privaten Sicherheitswirtschaft und -industrie.
Weitere zivile Sicherheitsakteure sind die Nachrichtendienste (Aufklärung im In- und Ausland) und auch die Streitkräfte im Rahmen der Amts- und Katastrophenhilfe.
Die binnenbezogene Betrachtung der Sicherheit wird verlassen, sobald es sich um internationale Aspekte von Katastrophen handelt, die vernetzte und echtzeitfähige Früherkennung, Risikoanalyse und Bewertung von internationalen Katastrophenereignissen nötig machen.
Gefahrensituationen haben unterschiedliche Komplexität und Dimension. Die stetig steigende Leistungsfähigkeit von Informationstechnologie (IT) und künstlicher Intelligenz (KI)ermöglicht es beispielsweise den Sicherheitsorganen und -diensten, die vielfältigen Wechselwirkungen immer besser zu beschreiben und Problemlösungen zu entwickeln. Hierfür sind allerdings diffizile und profunde Analysemodelle und die Verarbeitung von sehr großen Datenmengen erforderlich. Dabei werden nicht nur aktuelle Daten, sondern auch Zeitreihen und historische Daten genutzt. Die Fernerkundung (Luft- und Satellitenbilder) ist hierfür ein unverzichtbares und unterstützendes Instrument. Zur Unterstützung von Einsatzkräften können Luft- und Satellitenbilder mit anderen Fachinformationen angereichert werden. Dadurch können Lage- oder Schadenskarten generiert werden.
Einsatz von Luft- und Satellitenbildern zur Aufrechterhaltung der Öffentlichen Sicherheit (und Ordnung):
- Aufklärung: Verdeckte Erkundung von nicht oder nur schwer zugänglichem Gelände. Hilfe bei der Einsatzplanung von Großeinsätzen. Detektion von Spuren menschlicher Aktivität (Fahrzeuge, Fahrzeugspuren, Behausungen, etc.).
- Monitoring: Monitoring von bekannten Schiffsrouten über mehrere Tage, Wochen oder Monate hinweg. Erfassen von außerplanmäßig angelaufenen Häfen. Im Einzelfall auch mögliche Identifizierung von Schiffen.
- Arbeit am Unglücksort bzw. Tatort: Bei Großschadensereignissen wie Flugzeugabstürzen, Zugunglücken oder Explosionen können hochaufgelöste Satellitenaufnahmen zur großflächigen Übersicht dienen.
- Grabungen: Veränderungsanalysen basierend auf multispektralen Satellitendaten sowie Radardaten können Hinweise auf mögliche Grabungsstellen oder Depots liefern
- Rauschgiftkriminalität: Anbaugebiete für Mohn, Cannabis, Koka, etc. lassen sich mit Hilfe multispektraler Satellitenaufnahmen von anderen Kulturpflanzen unterscheiden. Ebenso lässt sich aufgrund der Satellitendaten eine Erntevorhersage treffen und damit ein möglicher Bekämpfungseinsatz vor Ort planen und koordinieren.
- Vermisstenfälle und Entführungen: Die Identifikation einzelner Personen ist mit Hilfe von Satellitenbildern derzeit noch nicht möglich. Dennoch können die Spuren von menschlicher Aktivität, z. B. das Vorhandensein von Fahrzeugen oder deren Fahrspuren, von Behausungen, von Personengruppen, etc., auf hochaufgelösten Satellitenbildern erkennbar sein.
- Archivbilder für Ereignisse aus der Vergangenheit: Bei weit zurückliegenden Ereignissen kann die Auswertung von Archivsatellitenbildern hilfreich sein und eventuell zu neuen Ermittlungsansätzen führen. Je nach Suchzeitraum und Größe des Suchgebietes können Zeitreihen über mehrere Monate oder Jahre vorliegen. Dies gilt z. B. auch für die Munitionsbergung nach kriegerischen Ereignissen (Bildauswertung mit Aufnahmen vor und nach Bombenangriffen).
- Überwachung von Großveranstaltungen: Bei sicherheitsrelevanten Anfragen zu Großereignissen (z.B. bei Weltmeisterschaften), die oftmals ein unverzügliches Erkennen von Veränderungen zwischen mehreren Zeitpunkten und/oder schnelles Handeln erfordern, werden häufig hochauflösende Fernerkundungsdaten für lokal eingegrenzte Gebiete benötigt.
Die Thematik "Sicherheit" ist Teil der Copernicus-Kerndienste. Diese stellen umfangreiche Grundlageninformationen bereit, die für vielfältige Anwendungen weiter verarbeitet werden können. Der Service „Sicherheit“ geht über binnenstaatliche Bezüge hinaus. Demnach umfasst er auch die Überwachung von Grenzen, Ressourcen und kritischer Infrastruktur, ebenso die Kontrolle von internationalen Abkommen.
Weitere Informationen:
- Georisiken und zivile Sicherheit (DLR)
- Zivile Sicherheitsforschung und Dual Use (DLR)
- Gesellschaftliche Resilienz ‒ Grundlagen für die zivile Sicherheit (BIGS)
- Geokompetenz im Bevölkerungsschutz (BBK)
- ... mit Drohnen - Unbemanntes Fliegen im Dienst von Mensch, Natur und Gesellschaft (BMWi 2019)
- "Veränderungsanalyse Inland" für Polizeibehörden - STUNT (BKA)
- Beobachtungstechnologien im Bereich der zivilen Sicherheit – Möglichkeiten und Herausforderungen (TAB / KIT)
- UAV LiDAR improves land mine clearance planning (Routescene Inc)
- Fernerkundung als Hilfsmittel bei der kriminalistischen (Tatort)arbeit (BKA / Copernicus)
- Dokumentation von Zerstörungen an Kulturdenkmälern durch Fernerkundungstechniken (DAI 2015)
- Anforderung von Fernerkundungsprodukten über das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)
- Tracking environmental crime with Copernicus Land data (Copernicus)
- Global Vigilance: The Critical Need for Broad Area Satellite Monitoring (Planet)