Lexikon der Fernerkundung

Radarinterferometrie (InSAR)

Engl. radar interferometry, franz. interférométrie; die Radarinterferometrie ist ein berührungsfreies, fernerkundliches Messverfahren mit einem aktiven Sensor. Die Radarinterferometrie ermöglicht die flächenhafte Bestimmung von großräumigen Bodenbewegungen wie sie z.B. infolge von Grundwasserentzug, Rohstoffgewinnung, Vulkanaktivität oder seismischen Ereignissen hervorgerufen werden. Die Radarinterferometrie hat in den letzten zwei Jahrzehnten aufgrund der Verfügbarkeit geeigneter abbildender Radarsysteme mit verschiedenen Sensoren im L-Band, C-Band und X-Band besonders im Bereich der Beobachtung von Bodenbewegungen für verschiedene geowissenschaftliche Fragestellungen erheblich an Bedeutung gewonnen, aber auch für die Generierung von digitalen Höhenmodellen. In den Archiven der Satellitenbetreiber z.B. der europäischen Weltraumorganisation ESA, des DLR / DFD, der JAXA oder MDA/CSA werden große Datenmengen gesammelt und Nutzern auch für retrospektive Untersuchungen zur Verfügung gestellt.

Bei herkömmlichen, abbildenden Radarsystemen wird jedem Punkt des abgebildeten Gebietes entsprechend seinem Abstand zum Sensor eine Position in der Bildebene zugeordnet. Die Intensität der Rückstreuung charakterisiert die Materialien der Oberfläche, deren Rauigkeit, Orientierung usw. Das Ergebnis ist ein zweidimensionales Bild des Testgebietes.

Eine Weiterentwicklung stellt die SAR-Interferometrie dar. Hierbei wird ein Testgebiet von zwei oder mehr unterschiedlichen Sensorpositionen aus abgebildet. Da es sich bei Radarsystemen um kohärente Systeme handelt, enthalten die Daten nicht nur Informationen über die Rückstreuintensität (Signalstärke) sondern auch eine Phaseninformation der kohärenten Welle zum Zeitpunkt der Reflexion. Die Aufnahmegeometrie ist damit ähnlich derjenigen bekannter stereometrischer Verfahren und hat zur Folge, daß verschiedene Zielpunkte unterschiedliche Weglängendifferenzen zu den Sensorpositionen besitzen.

Jedes Pixel in einem Radarbild ist Träger dieser beiden Arten von Informationen. Die Intensität charakterisiert die Materialien der Oberfläche, deren Rauigkeit, Orientierung usw. Sie führt zu einer bildhaften Wiedergabe des Geländes. Hingegen wird die Phaseninformation in ganz anderer Weise genutzt. Wenn das Radarsystem dasselbe Gelände von einer nahezu gleichen Position erneut aufnimmt, dann sind die Phasenbilder nicht identisch. Die Unterschiede hängen von den Objektentfernungen ab. Deshalb können durch die Kombination der Phasenbilder von geeigneten Mehrfachaufnahmen Entfernungsunterschiede errechnet werden, aus denen z.B. ein Digitales Geländemodell gewonnen werden kann.

Durch die Überlagerung von zwei Radaraufnahmen werden Interferogramme erzeugt, die als Messgröße die Phasendifferenz beider Aufnahmen enthalten. Das Interferogramm macht die Phasendifferenzen in Form farbiger Ringe (sog. Fringes) sichtbar. Da jeder dieser Ringe den gesamten Wertebereich einer Phase wiedergibt, weist das Interferogramm aber Mehrdeutigkeiten auf, die anschließend noch aufgelöst werden müssen. Aus der Phasendifferenz können Abstandsänderungen und daraus Höhenänderungen abgeleitet werden. Dazu müssen aus der Phasendifferenz noch verschiedene Signalanteile (aufgrund von z. B. Topographie, Atmosphäre, Rauschen) auf geeignete Weise eliminiert bzw. reduziert werden.

Für die radarinterferometrischen Auswertungen müssen die auszuwertenden Signale zwischen zwei Radaraufnahmen des gleichen Gebietes räumlich und auch zeitlich korrelieren. Veränderungen der Rückstreueigenschaften durch z.B. Vegetationswechsel, längere zeitliche Abstände der Aufnahmen oder auch starke Bodenbewegungsgradienten führen zu Dekorrelationen und damit zur systematischen Verfälschung der abgeleiteten Höhenänderung bis hin zur Nichtauswertbarkeit. Wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche interferometrische Auswertung von Radardaten ist folglich eine „feste“ Phasenbeziehung (Kohärenz, d. h. Ähnlichkeit) zwischen den zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgezeichneten Aufnahmen.

Während bei stereoskopischen Auswertesystemen versucht wird, die Parallaxe durch direkte Messung der Weglängen zu bestimmen, wird beim interferometrischen SAR die Kohärenz des Signals ausgenutzt sowie die Tatsache, daß sich die Phase einer monochromatischen elektromagnetischen Welle proportional zur zurückgelegten Weglänge verhält. Eine Phasendifferenzmessung, wie sie in der SAR-Interferometrie letztendlich durchgeführt wird, ermöglicht über die Bestimmung des Wegunterschiedes die Ermittlung der gewünschten Höheninformation. Die Daten können zur Erstellung von digitalen Höhenmodellen, zur Detektion von Veränderungen im Zentimeterbereich, zur multitemporalen Klassifikation oder zur Detektion beweglicher Streuer verwendet werden.

In der Satellitenfernerkundung erzielte diese Technik ihren Durchbruch mit den Starts der Satelliten ERS-1 und ERS-2 1991 und 1995 sowie der SRTM im Jahr 2000. Letztere hat in den vergangenen Jahren ein nahezu globales Höhenmodell mit bisher unerreicht hoher geometrischer Auflösung geliefert. Weitere Radarsysteme sind PALSAR-2 auf dem japanischen Satelliten ALOS-2 und ASAR auf dem inzwischen inaktiven ENVISAT. Seit 2007 liefert der deutsche Satellit TerraSAR-XSAR-Daten. Seit 2010 wird dessen Mission durch den Satelliten TanDEM-X ergänzt.

Anwendungsfelder der Radarinterferometrie sind die Erfassung von Veränderungen der Erdoberfläche im mm- und cm-Bereich (Gletscher, Vulkanismus, Hangrutschungen, Erdbeben, bergbaubedingte Senkungen usw.) sowie die Vermessung von Meeresströmungen.

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