Lexikon der Fernerkundung

Photogrammetrie

Engl. photogrammetry, franz. photogrammétrie; Herstellung von Karten aus Luftbildern, Photographien oder Satellitenbildern als eigenständige Methodik der Geofernerkundung. Dabei wird in erster Linie geometrische Information (Form, Größe, Lage u.a.) aus den Bildern extrahiert zur genauen Erfassung der Topographie und quantifizierbaren Topologien. Mit Hilfe der Photogrammetrie werden vor allem Basisdaten für die Erstellung und Fortschreibung topographischer und thematischer Karten sowie die Weiterverarbeitung in Geographischen Informationssystemen gewonnen. Die Bildaufnahmeverfahren waren ursprünglich analog (Photographien), in zunehmendem Maße werden digitale Aufzeichnungen verwendet.

Wenn hochauflösende Fernerkundungsdaten, vor allem Luftbilder, verfügbar sind oder erstellt werden können, besitzen photogrammetrische Verfahren ein hohes Potential, an der Erdoberfläche sichtbare Erscheinungen zu interpretieren und ihre absolute Geometrie zu bestimmen. Dabei steht die Beobachtung dreidimensionaler Umgebungen und Prozesse im Mittelpunkt. Sensoren der Photogrammetrie sind analoge und digitale photographische Systeme aber auch Scanner.

Die Leistungsmerkmale der Photogrammetrie:

Die Nachteile der Photogrammetrie sind :

Bei digitalen Luftbildkammern kommen zusätzlich die aufwendige Kalibrierung der Kammer, die notwendigen großen Speicherkapazitäten an Bord der Sensorplattform (Flugzeug) und des 'back up' (Datensicherung) dazu.

Für die Geowisssenschaften ist besonders die Aerophotogrammetrie wichtig. In ihr werden Luftbilder analysiert (z.B. bewegter Sensor, Bildflug). Die Aufnahme kann genähert als Senkrechtaufnahme gelten. Ihr gegenüber steht die terrestrische Photogrammetrie. Sie analysiert terrestrische Bilder unter gleichbleibenden Aufnahmebedingungen, aber die Aufnahmegeometrie ist in der Regel weit von der "idealen" Senkrechtaufnahme entfernt.

Beim Blick auf die Historie der Photogrammetrie muss man in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückgehen, als die Theorie der Photogrammetrie in Frankreich und Preußen parallel zur aufkommenden Photographie entwickelt wurde. Am Anfang des 20. Jahrhunderts traf ein nationalstaatlich-planerischer und auch militärischer Bedarf an korrekten kartographischen Darstellungen auf eine fortschreitende Entwicklung von Flugzeugen und auf verbesserte Kameratechnik und Filmmaterial. Die damaligen analogen Aufnahmen wurden mit Hilfe optisch-mechanischer Verfahren in Karten umgesetzt. Stereo-optische Aufnahmen dienten dabei zur Vermessung der Höhe der Topographie und von Objekten.

Die ersten Erdvermessungssystem aus dem Weltraum basierten auch auf dem Prinzip der analogen Kameras und der nachfolgenden photogrammetrischen Auswertung (z.B. die europäische Metric Camera auf der Space Shuttle Mission von 1983). Die ersten zivilen elektronischen Systeme verfügten mit einer geometrischen Auflösung von 80 m (Landsat-1, 1972), später 30 m (Landsat-4, 1982) noch nicht über die geometrische Genauigkeit, um detailreiche Karten mit einem großen Maßstab anzufertigen. Erst der französische Satellit SPOT-1 (1986) mit seiner geometrischen Auflösung von 10 m und seinem schwenkbaren Sensor erlaubte erstmals die Erstellung dreidimensionaler Karten größeren Maßstabs. Außerdem konnte das bis dahin analoge photogrammetrische Verfahren auf neue digitale Algorithmen und Verfahren umgestellt werden.

Mit dem Ende der Ost-West-Konfrontation wurden auch Bilder mit geometrischen Auflösungen besser als 10 der zivilen Nutzung verfügbar gemacht. Neben ersten russischen Daten stellte der Start des zivilen US-Satelliten IKONOS (1999) den Beginn einer neuen Ära höchstauflösender Satelliten mit einer Auflösung von unter 1 m dar.

Die Sensoren dieser Satelliten sind ganz für den Zweck der raschen Kartierung ausgelegt. Die hohe geometrische Auflösung wird zumeist nur in einem panchromatischen Kanal (S/W-Bild) erreicht. Wenige weitere Kanäle mit einer etwas schlechteren geometrischen Auflösung lassen die Darstellung als Farbbild zu. Bedeutsam für die Anwendung als Kartengrundlage ist auch die Genauigkeit der Lageregelung des Sensors bzw. des Satelliten. Komplexe Regelsysteme lassen sowohl die schnelle als auch die präzise Ausrichtung zumeist des gesamten Satelliten zu. Zusätzlich gewährleistet eine Vielzahl von Orbit- und Lagebestimmungssensoren die Bestimmung der Lage eines Bildpunktes auf der Erde mit einer Genauigkeit von wenigen Metern. Eine weitere Verbesserung im Meter- und Sub-Meterbereich kann nur durch Verknüpfen mit bekannten terrestrischen Passpunkten, wie z.B. Straßenkreuzungen, erreicht werden. Die schnelle Änderung der Ausrichtung einiger Satelliten erlaubt es auch, eine Szene nochmals aus einer anderen Schrägsicht zu betrachten und somit ein Stereo-Bildpaar zur dreidimensionalen Analyse zu erhalten. Werden auf einem Satelliten gleich zwei Kameras mit unterschiedlicher Ausrichtung verwendet, so können derartige stereo-optischen Aufnahmen permanent erzeugt werden. Dies ist beispielsweise mit den Satelliten der indischen CARTOSAT-Serie möglich.

Außer der Erstellung und Nachführung topographischer Karten erlaubt die spektrale Information dieser Satellitensensoren auch eine detaillierte thematische Kartierung. Im zivilen Bereich werden damit planerische Grundlagen z.B. für Großbauwerke gelegt oder neue Straßen für Navigationssysteme erfasst. Hochaufgelöste Kartierungen der Feldfrüchte erlauben der Europäischen Kommission die Kontrolle von Subventionen für die Landwirtschaft und den Vereinten Nationen den Nachweis von illegalem Drogenanbau (UNODC and illicit crop monitoring). Die UN erhält mit Hilfe der spektralen Informationen auch Hinweise über Aktivitäten im Nuklearbereich.

Rasch umgesetzte Kartierungen auf der Basis hochauflösender Satellitendaten unterstützen auch zunehmend humanitäre Hilfsaktionen in Krisengebieten und nach Naturkatastrophen (Katastrophenmanagement). Durch den Vergleich mit älteren Daten können aktuelle Beobachtungen die Zerstörung von Infrastrukturen z.B. nach einem Erdbeben oder das Ausmaß von Überflutungen aufzeigen. Angesichts der Dringlichkeit solcher Informationen und wegen ihrer Unabhängigkeit von Wolken und Tageszeiten werden zunehmend geometrisch hochauflösende Radarsysteme (z.B. TerraSAR-X, COSMO-SkyMed) für diese Zwecke eingesetzt. In Deutschland obliegt diese Aufgabe dem Zentrum für satellitenbasierte Kriseninformation (ZKI) des DLR. Dabei ist das ZKI in europäische und weltweite Programme (z.B. Internationale Charta für Weltraum und Naturkatastrophen) eingebunden.


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